Postflug nach Lahr

 

(erschienen in Briefmarkenspiegel 4/1998)

Sonderstempel zum Anschluß von Rostock-Laage an das Nachluftpostnetz
Sonderstempel zum Anschluß von Rostock-Laage an das Nachluftpostnetz

Der Probebetrieb auf der neuen Nachtluftpostverbindung Frankfurt - Lahr begann am 5. Januar 1998. Am Freitag den 29. Januar erfolgte die offizielle Vorstellung für die Presse. Über den Flug zusammen mit den Postbeuteln in dieser Nacht berichtet aus philatelistischer Sicht BMS-Mitarbeiter Jürgen Olschimke.

 

In Frankfurt am Main muß man nur rechter Hand den Bereich C des Flughafenterminals 1 verlassen und wenige Meter zur früheren Luftpostleitstelle gehen. Gleich neben diesem Gebäude wurde in 24 monatiger Bauzeit das Internationale Postzentrum (IPZ) im September 1997 in Betrieb genommen. Im Endausbau soll es alle früheren Luftpostübergabestellen der Deutschen Post AG ersetzen. Es ist das größte interne Briefzentrum in Deutschland.

 

Die Schnittstelle zwischen Flugzeugen und der Post wird über das ans internationale Postzentrum angrenzende Airmail Center Frankfurt (ACF) abgewickelt. An dem ACF sind die Deutsche Post, die Lufthansa und die Frankfurter Flughafen Gesellschaft beteiligt. Dieses Center koordiniert die Be- und Entladung der Maschinen der internationalen Fluggesellschaften und den Umschlag der über das Nachtluftpostnetz beförderten Post.

 

Geschichte

 

Am 1. September 1961 gab der damalige Postminister Richard Stücklen den Start frei. Ab diesem Tag ergänzte der nächtliche Transport in der Luft die Postbeförderung auf der Straße und mit der Bahn. Der zentrale Dreh- und Angelpunkt dieser nächtlichen Operationen im Interesse der Postkunden in allen Teilen Deutschlands ist Frankfurt am Main. Alle Stecken werden mit Lufthansamaschinen angeflogen, bis auf den nur den Alliierten vorbehaltenen Luftkorridor nach Berlin, hier flog PanAm bis zum 27. Oktober 1990. Seit dem Herbst 1997 fliegen aber auch Deutsche BA und Eurowings für die Post.

 

Die Form des Nachtluftpoststerns änderte sich im Laufe der Zeit mehrfach. Es gab Streckenverkehr (Bremen - Düsseldorf - Frankfurt - Stuttgart - Nürnberg und umgekehrt), es gibt aber auch nur Direktverbindungen wie Hamburg - Frankfurt und retour. Schrittweise kamen weitere Flughäfen wie Münster (1989) dazu. Nach dem Fall der Mauer mußte für weitere Verbindungen nach Ostdeutschland erst die notwendige Infrastruktur geschaffen werden.

 

Am 2. April 1991 war es so weit - Leipzig und Dresden ergänzten den Stern, am 9. Juni 1994 folgte Rostock-Laage.

Beleg mit Lufthansa-Stempel für den ersten Flug nach Dresden
Beleg mit Lufthansa-Stempel für den ersten Flug nach Dresden

Im Winterflugplan 1992/93 gab es kurzfristig sogar der „Sachsenstern“ als Ergänzung. Um die Qualität der Brieflaufzeiten weiter zu verbessern, wurde zur Optimierung des Konzeptes als letzter Baustein der ehemalige Militärflughafen Lahr in das Nachtluftpostnetz einbezogen.

 

Am Beginn flogen Propellermaschinen Douglas DC-6), später Jets (Boeing B 727 QC - 1965). Im Laufe der Zeit folgten B 727-100 und weitere Flugzeuge bis zu dem ganz großen A300-600. Die Gründe dafür lagen zum einen in der teils stark gestiegenen zu befördernden Postmenge (zwischen 9 und 30 Tonnen je Stecke), sie lagen aber auch bei der Lärmbelästigung durch die Nachtflüge. Bei der neuesten Route nach Lahr mußten die Probleme Lärm kontra 15 Arbeitsplätze und dem Service der Post für die schnelle Beförderung für den Bürger und die Wirtschaft erst vor Gericht entschieden werden, bevor die Post fliegen durfte.

 

Postlogistik

 

Briefe sollen innerhalb Deutschlands an dem der Einlieferung folgenden Werktag morgens am Bestimmungsort zur Zustellung vorliegen, kurz gesagt „E + 1“. Für große Entfernungen über 500 km zwischen den bearbeitenden Briefzentren im Abgang und Eingang wird es kritisch. Das Zeitfenster für diese Beförderung beträgt maximal sieben Stunden. Ohne den Transport mit Flugzeugen wären viele Briefe zwei Tage unterwegs. Damit dies nicht passiert, gibt es den zuschlagfreien Nachluftpoststern in Frankfurt.

Der Nachtluftpoststern in seiner größten Ausdehnung - Quelle FAG
Der Nachtluftpoststern in seiner größten Ausdehnung - Quelle FAG

 

In der Sprache der Postlogistik spricht man vom Vorlauf, vom Hauptlauf und vom Nachlauf. Zum Vorlauf gehört das Einsammeln der Briefe im Leitbereich und das Bearbeiten im entsprechenden Briefzentrum. Spätestens um 21 Uhr müssen diese Arbeiten beendet sein.

 

Um 21 Uhr 15 beginnt der Hauptlauf, alle vorsortierten Briefbehälter und Postbeutel werden zwischen den einzelnen Briefzentren direkt ausgetauscht. Dieser Vorgang muß bis spätestens 4 Uhr 15 am Folgetag abgeschlossen sein. Der größte Teil (1900 Tonnen) wird dabei über die Straße befördert. Der kleinere Teil von 300 Tonnen wird über das Nachtluftpostnetz (NLP) befördert.

 

Der Nachlauf ist die Eingangsbearbeitung bis zum Postfach oder Zusteller.

 

Das Nachtluftpostnetz

 

Für die Planung und Durchführung ist es nötig, so genau wie möglich die zu befördernden Postmengen vorausberechnen. Zusätzlich werden die täglich geflogenen Briefe gewichtsmäßig erfaßt. Diese Daten ermöglichen eine genaue Strecken-, Lade- und Ablaufplanung.

 

Die Streckenführung ist so festgelegt, daß die Verbindungen mit dem höchsten Aufkommen direkt geflogen wird. Damit wird unnötige Umarbeitung vermieden. Weiter werden die Parkpositionen der Flugzeuge in Frankfurt so gewählt, das die Transportwege für das Umladen möglichst kurz sind. Jets mit sehr großem Austausch stehen direkt neben einander, andere stehen weiter entfernt. Weitere Randbedingungen wie Post-Jets mit gleicher Abflugzeit dürfen nicht nebeneinander stehen, sind berücksichtigt.

 

Die Ladepläne sind wie alle anderen Abläufe standardisiert. Sie sehen die Entladung in der Reihenfolge der Starts und die Beladung in der Reihenfolge der Ankünfte in Frankfurt vor. Das bedeutet, die Post die in Frankfurt zuerst weiterbefördert wird, wurde in Lahr zuletzt eingeladen, da der Postflieger nach Hamburg schon um 1 Uhr 25 wieder starten muß.

 

Somit können innerhalb von 125 Minuten in Frankfurt diese 300 Tonnen Post (zwölf Millionen Briefe) umgeschlagen werden. Dafür sind 250 Mitarbeiter der Flughafen AG jede Nacht bei Wind und Wetter zwischen 23 Uhr 40 und 1 Uhr 25 tätig.

 

Der Ablauf

 

Im Fall von Lahr fliegt die Boeing B 737-500 in knapp 45 Minuten leer nach Lahr. Dort wird die gesamte Post (220000 Briefe) vom Briefzentrum Freiburg und Offenburg entsprechend dem Ladeplan eingeladen. Nach dem sorgfältigen Abdecken der Sitzreihen mit Schonbezügen, die in erster Linie der Ladungssicherung dienen, nehmen die einzelnen Plätze grüne Postbeutel auf. Daran hat sich bis heute nicht sehr viel geändert, es gibt immer noch die Schonbezüge und die grünen Postbeutel. Zu 80 Prozent werden aber auch schon die bekannten gelben und grauen Kunststoffbehälter benutzt und auf den Sitzen festgeschnürt.

Viel Handarbeit ist erforderlich, um die Pot aus dem bestulten Airbus A300 herauszuholen - Foto Olschimke
Viel Handarbeit ist erforderlich, um die Post aus dem bestulten Airbus A300 herauszuholen - Foto Olschimke

Diese Behälter sind für den Flug mit einem Deckel mit Beutelfahne oder Infoträger versehen. Die aufgedruckten Informationen und die zusätzlich farbig hervorgehobenen Daten reichen für die weitere Bearbeitung aus. Ein Teil wird im Rumpf verladen. Es ist schon beeindruckend, dies einmal live mitzuerleben.

 

Um 23 Uhr geht es zurück nach Frankfurt, wo um kurz vor Mitternacht die Landung erfolgt. Jetzt beginnt hier der Umschlag nach den entsprechenden Plänen. Einige der neueren Flugzeuge können im Rumpf schon Container aufnehmen (Airbus). Dies spart viel Handarbeit. In die Maschine nach Lahr werden alle Briefe von Duisburg, Hannover, Halle, Leipzig und weiter nördlich eingeladen, um 1 Uhr 30 geht es zurück. Durch den Flug spart die Post eine Stunde Zeit, die Zuverlässigkeit steigt, die Leerungszeiten können verlängert werden.

 

Philatelistische Spuren

 

Dokumentieren läßt sich diese Entwicklung zum einen durch unterschiedliche Werbestempel der DBP und der Deutschen Post AG. Bekannt sind zum einen Bandwerbestempel von Postscheckämtern wie Köln von 1961/62. Ein Beispiel für die Posteigenwerbung von damals „Ab September 1961 Briefe und Postkarten zuschlagfrei über Nachluftpostnetz“.

Erste Nachluftpost Düsseldorf - Frankfurt mit dem Gesellschaftstempel der Lufthansa. Die Erstflugbriefe der Firma Sieger erhielten in den zen Städten des Nachtluftpost-Netzes am 1. September 1961 den Maschinenwerbestempel
Erste Nachluftpost Düsseldorf - Frankfurt mit dem Gesellschaftstempel der Lufthansa. Die Erstflugbriefe der Firma Sieger erhielten in den zen Städten des Nachtluftpost-Netzes am 1. September 1961 den Maschinenwerbestempel "Nachluftpost"

Der Anschluß der neuen Bundesländer kann durch Flugbegleitstempel und Werbestempel dokumentiert werden. Für den Anschluß des Flughafens Rostock-Laage an das Nachtluftpostnetz existiert ein Sonderstempel mit Uhrzeit. Für Lahr gab es einen Flugbestätigungsstempel von Frankfurt und einen Handwerbestempel von Lahr.

 

Ein weitere Möglichkeit besteht durch Eilbriefe aus den 60er Jahren, die von Nordeutschland nach Süddeutschland liefen und erst abends aufgeliefert wurden. Damals wurden noch viele Durchgangsstempel bei den jeweiligen Umarbeitungsstellen abgeschlagen. Dadurch kann man indirekt auch die Beförderung über das Nachtluftpostnetz nachweisen.

 

Früher benutzte Vorbindezettel mit entsprechenden Vermerken in aufgestempelter oder eingedruckter Form sind weitere Nachweise. Beutelfahnenänhänger bieten eine aussagekräftigere Dokumentation. Hier muß normalerweise bis heute noch eine Stempelung des Abgangspostamtes oder Briefzentrums erfolgen. Vor Ort mußte ich aber feststellen, daß es nur noch wenige Stempel auf diesen Anhängern gibt, Vorbindezettel gehören schon längst der Vergangenheit an. Infoträger mit Strichcode sind der neue Standard.

Nachtluftpost-Beutelfahne mit Stempel vom Briefzentrum 73 für das Briefzentrum 18 (Rostock)
Nachtluftpost-Beutelfahne mit Stempel vom Briefzentrum 73 für das Briefzentrum 18 (Rostock)

Da die Beutelfahnen aber nur innerdienstlich genutzt werden, sind solche Spuren sehr selten. Für einen postgeschichtlich interessierten Sammler ist es also gar nicht so leicht, die Geschichte der Nachtluftpost von 1961 bis heute mit aussagekräftigen Belegen zu dokumentieren und belegen.