Professionelle Fälschung: Marienplatz

 

(erscheint in der Zeitschrift philatelie 521 -November 2020 - Vorabveröffentlichung)

Co-Autor Bernd Hanke

 

Mitte Juli 2020 erhielt der Autor einen nassklebenden Zehnerbogen 95 Cent Marienplatz Mi-Nr. 3538 aus einer verdächtigen Quelle zur Prüfung vorgelegt. Eine erste schnelle Grobanalyse mit UV-Licht ergab keine großen Unterschiede. Da auch das zweite Sicherheitselement, die „Seltenen Erden“ an den selben Stellen vorhanden beziehungsweise nicht vorhanden war, wie bei einem Vergleichsbogen von der Versandstelle, wurde dieser Bogen erst einmal als echt eingestuft. Eine weitere Analyse der Druckraster erfolgte leider nicht. Mitte August erhielt der Autor aus einer anderen Quelle eine neue Anfrage zur selben Marke. Sie offenbarte auch Unterschiede an einigen Stellen des Druckrasters – etwa an den blauen Linien. Eine erneute Untersuchung bestätigte dies. Es gab nun zwei Optionen: Entweder handelt es sich um eine zweite, bei einer anderen Druckerei hergestellte Auflage, die wegen der unterschiedlichen Druckraster katalogrelevant wäre, oder es liegt eine professionelle Fälschung vor, bei der erstmals das zweite Sicherheitselement „Seltene Erden“ originalgetreu eingesetzt wurde.

Echter Zehner-Bogen Marienplatz
Echter Zehner-Bogen Marienplatz

Weitere Recherchen zum Ursprung der angebotenen Marken und wie sie vertrieben werden, bestätigten den Verdacht. dass diese tatsächlich sehr gute Fälschung sind. Die Fälschungen wurden in Mengen bis zu 100,000 Stück angeboten, allerdings als lose Bogen in Plastiktüten a 1000 Stück. Die Herstellung einer solchen Menge gefälschter Marken ist nicht sehr zeitaufwendig. Der Druck dauert circa 25 Minuten und man benötigt ungefähr 4200 Meter Papier oder eine entsprechende Bogenanzahl. Dies ist nicht die erste Fälschung aus dieser Fälscherwerkstatt, sie verfügt über das entsprechende Druckequipment und Wissen, wie man schnell produziert. Weiterhin sind die Fälscher in der Lage neu erschiene nassklebende Marken schon knapp drei Monate nach Erscheinen nachzudrucken. Aus dieser Fälscherwerkstatt werden wir sicherlich in nächster Zeit weitere Fälschungen angeboten bekommen. Sie werden wohl nicht so einfach zu erkennen sein, falls auch rastertechnisch alles professionell nachgeahmt wird. Hier passierten den Fälschern aber einige auffällige Fehler, sodass die neue Fälschung Marienplatz leicht vom Original zu unterscheiden ist.

 

Marienplatz München

 

Am 2. April 2020 wurde die nassklebende 95 Cent Marke Marienplatz (Mi-Nr. 3538) als erste Marke einer neuen Serie „U-Bahnstationen“ herausgegeben. Zusätzlich erschien diese Marke auch noch als selbstklebendes Zehner-Markenset. Das Format der echten Kleinbogen hat die Masse 11,45 x 15,8 Zentimeter. Sowohl beim Format des Bogens, als auch bei der Größe der Marken selbst und bei der Zähnung gibt es keine Unterschiede zur Fälschung. Bei beiden wurde eine Kammperforation mit 13 ½ x 13 ¾ ohne Auffälligkeiten genutzt. Die Art und Weise der Perforation weist auf eine Herstellung der Marken im Bogenoffsetdruck hin (sowohl bei der echten Marke als auch bei der Fälschung). Gedruckt wurden diese im Vier-Farben Offsetdruck, sie unterscheiden sich aber teilweise im genutzten Rasterwinkelbereich. Die echten Marken wurden mit Gelb 0 Grad, Margenta 15 Grad, Cyan 75 Grad und Schwarz 45 Grad mit Ausnahme der Schrift und dem Barcode, der ungerastert gedruckt wurde, hergestellt. Die Fälschung dagegen wurde mit Gelb 0 Grad, Margenta 45 Grad, Cyan 75 Grad und Scharz 15 Grad gedruckt, wobei die Schrift, der Barcode und zum Teil bestimmte Flächen ungerastert gedruckt wurden. Die Papierdicke der Fälschung ist nur um 0,003 Millimeter dünner als das Original.

 

Betrachten wir nun zuerst wieder einige ausgewählte Bildelemente im Vergleich genauer. Das einfachste Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Original und der Fälschung ist die symbolische Steckenlinie in Cyan. Diese ist bei den echten Marken mit 75 Grad gerastert, bei der Fälschung hingegen ist die blaue Farbe ungerastert gedruckt.

Vergleich der blauen U-Bahnlinie mit Stationskreis – links die echte Marke mit Rasterung im blauen Bereich, rechts die Fälschung ohne Rasterung
Vergleich der blauen U-Bahnlinie mit Stationskreis – links die echte Marke mit Rasterung im blauen Bereich, rechts die Fälschung ohne Rasterung

Der Stationskreis (schwarz) ist ungerastert, allerdings wurde er bei der Fälschung mit einer Passerverschiebung gedruckt. Dagegen wurden bei der echten Marke die Durchgänge zu den Bahnsteigen in kräftig glänzendem Schwarz gedruckt, während die Fälscher diese ungerastert in matten, stumpfen Schwarz gedruckt haben.

Vergleich einer schwarzen Wandverkleidung im Durchgangsbereich – links die echte Marke mit dem kräftigen Schwarz, rechts die falsche mit dem stumpfen Schwarz
Vergleich einer schwarzen Wandverkleidung im Durchgangsbereich – links die echte Marke mit dem kräftigen Schwarz, rechts die falsche mit dem stumpfen Schwarz

Weiter sind beim Original die typischen Offsetrosetten zu erkennen, die bei der Fälschung fehlen. Dort fehlen auch schwarze und gelbe Rasterpunkte.

Vergleich vorhandene Offsetrosetten bei der echten Marke links, und fehlenden Rosetten rechts
Vergleich vorhandene Offsetrosetten bei der echten Marke links, und fehlenden Rosetten rechts

Die Betrachtung einiger ausgewählter Schriftelemente zeigt weitere Abweichungen zwischen dem Original und der Fälschung. Beim Original ist die schwarze Farbe der Schrift ungerastert mit einem kräftigen und glänzenden Farbauftrag zu sehen, ohne sonstige Auffälligkeiten. Zwar wurde bei der Fälschung die schwarze Farbe der Schriftelemente auch ungerastert gedruckt, die Farbe selbst ist aber matt und glanzlos.

Vergleich eines Teils des Schriftelements „Marienplatz“ - links das Original – hier ist auch wieder gute die Rasterung der blauen Linie erkennbar, rechts die Fälschung
Vergleich eines Teils des Schriftelements „Marienplatz“ - links das Original – hier ist auch wieder gute die Rasterung der blauen Linie erkennbar, rechts die Fälschung

Weiter ist ein Dublieren der schwarzen Farbe erkennbar. Das Dublieren ist im Barcode und in der Länderbezeichnung sichtbar, nicht aber in der Wertstufe. Das Dublieren deutet darauf hin, das beim Druck der schwarzen Farbe bei der Fälschung zwei unterschiedliche Druckwerke verwendet worden sein könnten. Besonders deutlich zeigt sich das Dublieren bei den Barcode-Elementen, beispielhaft am linken schrägen Balken der Ziffer „4“.

Vergleich eines Teils des EAN-Codes – links die echte Marke mit den sauberen Konturen, rechts die Fälschung, bei der ein leichter „Schatten“ erkennbar ist
Vergleich eines Teils des EAN-Codes – links die echte Marke mit den sauberen Konturen, rechts die Fälschung, bei der ein leichter „Schatten“ erkennbar ist

Weitere teils sehr deutliche Unterschiede findet man außerhalb der Marken selbst im Bereich der verschiedenen Rahmenelemente. Beim Feld 6/7 links unten kann man noch einmal sehr deutlich den Unterschied der blauen Linie sehen. Bei den echten Marken ist diese, wie schon mehrmals erwähnt gerastert mit 75 Grad, bei der Fälschung fehlt diese Rasterung. Weiter kann man hier sehr deutlich den anderen Rasterwinkel der roten Farbe auf der gelben Linie ohne Raster erkennen. Während diese beim echten Bogen mit 15 Grad vorhanden ist, beträgt der Winkel bei der Fälschung 45 Grad.

Vergleich Randelement links unten Seite – links der echte Bogen, rechts die Fälschung
Vergleich Randelement links unten Seite – links der echte Bogen, rechts die Fälschung

Beim vorletzten Randelement auf der linken Seite ist bei den echten Bogen die schwarze Linie oben ungerastert und die lila Linie unten Magenta gerastert mit 15 Grad und darüber Cyan mit 75 Grad gerastert. Die Fälscher haben hier zwar die schwarze Linie auch ungerastert gedruckt, Für die lila Linie haben sie aber Magenta mit 45 Grad Rasterung statt 15 Grad benutzt und das darüber liegende Cyan ohne Raster gedruckt. Zusätzlich sieht man hier darüber ein schwarzes Raster mit 15 Grad, das beim Original nicht vorhanden ist.

Vergleich vorletztes Randelement links – links der echte Rand und links die Fälschung , bei der man deutlich bei der unteren Linie ein schwarzes Raster erkennen kann
Vergleich vorletztes Randelement links – links der echte Rand und links die Fälschung , bei der man deutlich bei der unteren Linie ein schwarzes Raster erkennen kann

Beim Feld vier auf der rechten Seite ist die obere Linie Orange, erzeugt durch unten liegendes Gelb ohne erkennbares Raster und darüber liegendes Magenta mit 75 Grad. Bei der Fälschung wurde hier allerdings ein enges Raster mit Punktschluss in Magenta auf 45 Grad eingesetzt. Bei der unteren brauen Linie ist beim Original die selbe Anordnung von Geld und Magenta vorhanden, allerdings hier noch mit Cyan auf 15 Grad, so dass eine additive Farbmischung beim Betrachten entsteht. Erkennbar ist Cyan ansatzweise an einzelnen Punkten am Rand. Bei der Fälschung wurde wieder mit Gelb begonnen, gefolgt von Magenta ohne erkennbares Raster, gefolgt von Schwarz mit 15 Grad.

Vergleich mittleres Randfeld – links der echte Rand – rechts die Fälschung mit dem schwarzen Raster
Vergleich mittleres Randfeld – links der echte Rand – rechts die Fälschung mit dem schwarzen Raster

Weitere Unterschiede lassen sich auf einigen weiteren Rahmenelementen finden.

 

UV- und IR Merkmale

 

Es folgt die Analyse der Sicherheitselemente UV Licht bei 365 Nanometer und der „Seltenen Erden“ bei IR-Licht mit 980 Nanometer. Der echte Bogen zeigt eine kräftig leuchtende gelbe Reaktion auf UV-Licht 365 Nanometer. Der Fluoreszenzstoff befindet sich hier in der Papieroberfläche. Die Fälschung dagegen reagiert hier deutlich dunkler. Dies wurde auch bei einer Spektralanalyse festgestellt. Die Intensität ist fast um 50 Prozent geringer als beim Original.

Vergleich des Verhaltens unter 365 Nanometer UV-Licht – links die echten Marken, rechts die Fälschung mit fast 50 prozentiger schwächerer Leuchtkraft
Vergleich des Verhaltens unter 365 Nanometer UV-Licht – links die echten Marken, rechts die Fälschung mit fast 50 prozentiger schwächerer Leuchtkraft

Dies liegt daran, das sich die Fluoreszenzpartikel nicht in der Papieroberfläche befinden, sondern mittels eines farblosen Dispersionslacks aufgetragen wurden. Dies kann man bei der Betrachtung unter UV-Licht mit 254 Nanometer erkennen, wenn man sich die Papierstruktur der inneren Bereiche der „Haltestellen-Kreise“ anschaut. Bei den echten Marken ist diese Oberfläche heller, als in den farbigen Bereichen außerhalb des Kreises. Bei der Fälschung dagegen überdeckt der farblose Dispersionslack die Papierstruktur innerhalb der „Haltestellen-Kreise“ und auch die Druckfarben selbst.

Vergleich eines Haltestellen-Kreises unter UV-Licht mit 254 Nanometer – links das Original – rechts die Fälschung zusätzlich mit einer leichten „Mondsichel“ wegen Passerungsungenauigkeiten
Vergleich eines Haltestellen-Kreises unter UV-Licht mit 254 Nanometer – links das Original – rechts die Fälschung zusätzlich mit einer leichten „Mondsichel“ wegen Passerungsungenauigkeiten

Die Reaktion auf IR-Licht 980 Nanometer erfolgt mit einer grünen Fluoreszenz. Träger des Sicherheitsmerkmals ist bei den echten Marken ein Raster- und farbloser Unterdruck unter dem Markenbild mit sehr hoher Passgenauigkeit. Bei der Fälschung dagegen ist die Reaktion heller, als bei den Originalmarken. Zwar wurde hier erstmals ein Raster- und farbloser Unterdruck unter dem Markenbild wie bei den echten Marken genutzt, allerdings ist die Passgenauigkeit mangelhaft. Es gibt entsprechende Passerverschiebungen, die innerhalb des „Haltestellen-Kreises“ als „Mondsichel“ zu erkennen sind.

 

Spektralanalyse

 

Aufgrund der erstmals bis auf eine Passerverschiebung erfolgten sehr guten Nachahmung des zweiten Sicherheitselements „Seltene Erden“ wurde zusätzlich eine Spektralanalyse bei einer echten und einer falschen Marke durchgeführt, um weitere Erkenntnisse bezüglich der eingesetzten Substanzen zu finden. Ziel war dabei, festzustellen, ob die Fälscher die selben „Seltenen Erden“ genutzt haben oder welche Alternative eingesetzt wurde. So lässt sich auch abschätzen, ob die Post diese Fälschungen überhaupt noch von echten Marken unterscheiden kann oder ob die genutzten Messfenster dies vermutlich nicht mehr ermöglichen.

 

Die genauen detailierten Ergebnisse dieser und anderer Spezialanalysen werden in einem separaten Artikel ausführlich erläutert werden. Festgestellt wurde aber, das die Fälscher die selbe „Seltene Erden“ Kombination (Ytterbium Erbium), wie die Bundesdruckerei genutzt haben. Die Spektren unterscheiden sich nur in Nuancen (Nebenlinien). Da zur maschinellen Erkennung der „seltenen Erden“ bei der Deutschen Post ein optisches Prüfverfahren genutzt werden dürfte, lassen sich weitere Rückschlüsse ziehen.

 

Das Messverfahren benötigt eine gewisse Signalschärfe und Intensität, um im praktischen Betrieb ohne regelmäßige aufwnändige Wartung zu funktionieren. Das bedeutet, dass man eine der deutlichen signalintensiven Linien zur Messung nutzen dürfte. Da sich Original und Fälschung kaum unterscheiden, darf bezweifelt werden, das diese Fälschung überhaupt maschinell aufzufinden ist. Einzig durch stichprobenartige manuelle Kontrollen könnte die eine oder andere Fälschung aufgrund der fehlenden Rasterung der blauen Linie sowie des anderen Rasterwinkels bei Cyan gefunden werden. Die Deutsche Post AG könnte hier also einem großen Problem gegenüberstehen, da alle nassklebenden Marken schon kurz nach Erscheinen gefälscht werden könnten.