Das Ende der klassischen Maschinenstempel
(Vorabveröffentlichung - erscheint in der Zeitschrift philatelie 508 - Oktober 2019)
In den neunziger Jahren vor der Inbetriebnahme der Briefzentren hatte jeder größere Ort im Bereich der Briefbearbeitung eigene Maschinenstempelmaschinen zur Entwertung der eingehenden Sendungen im Einsatz.
Mit der Umstrukturierung der Briefpost auf die Briefzentren wurden bedingt durch die Zusammenlegung vieler kleiner Briefordnereien zu wenigen großen oder sogar nur zu einer großen Briefordnerei je Briefzentrum je nach Größe des Briefzentrums statt vieler kleiner Maschinenstempelmaschinen nur noch einige wenige große Maschinen benötigt. Diese wenigen großen Maschinen stammen vom Hersteller AEG Elctrocom – Typ AM990/991 und haben einen Durchsatz von circa 32.000 Sendungen je Stunde.
Sie sind nun schon teils über 25 Jahre in Einsatz, ohne das sie je ersetzt wurden. In der Zwischenzeit wurden in den Briefzentren aber schon alle anderen Sortieranlagen und Stempelmaschinen für den Frankierservice einmal ausgetauscht und erneuert. Aber nun gibt es keine Ersatzteile mehr und die Störanfälligkeit der AM990/91 hat stark zugenommen. Nachfolgemaschinen mit vergleichbaren Eigenschaften werden auf dem Postmarkt nicht mehr angeboten.
Hintergrund hier ist der weltweite Trend, statt klassischer Hochleistungsstempelmaschinen Tintenstrahldruckmodule einzusetzen. Diese Entwicklung ist in vielen anderen europäischen Ländern schon weitgehend abgeschlossen ist. Es war also nun nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier in Deutschland bei der Maschinenstempelung ein Wechsel erfolgen musste. Seit dem Spätherbst 2017 laufen die ersten Tests, die ein Jahr später in die zweite Phase gingen. Diese scheint nun erfolgreich abgeschlossen worden zu sein und in einem erweiterten Pilotversuch sollen im Herbst 2019 die letzten Details optimiert werden. In den Jahren 2020 und 2021 werden die restlichen alten Maschinenstempelmaschinen (AM990/91) durch Tintenstrahldruckmodule ersetzt. Der folgende Artikel stellt den bisherigen Forschungsstand bezüglich dieser Umstellung vor.
Die Historie
Je nach Größe des Briefzentrums haben diese ein bis drei Briefordnereien. Jede Briefordnerei besitzt eine große Stempelmaschine AM 990/991 mit einem Durchsatz von circa 32.000 Sendungen je Stunde. Jede große Stempelmaschine besitzt zwei Stempelköpfe, die mit unterschiedlicher oder gleicher Werbung ausgestattet sein können. Die zwei Stempelköpfe sind kopfstehend zueinander angeordnet. Die Maschinen haben zum einen die Aufgabe, die Briefe, die aus der Briefordnerei nur grob vorsortiert und teils kopfstehend ankamen, gleichgerichtet zu sortieren, zum anderen die Sendungen mit Briefmarken zu entwerten, nachdem sie auf Echtheit überprüft worden waren. Dazu wurde nach einer Bilderkennung, eine UV-Prüfung vorgenommen und außerdem erfolgte eine zusätzliche Prüfung auf die sogenannte Superfluoreszenz (die seltenen Erden, die bestimmten Farben als zusätzliches Sicherheitselement beigemischt werden). Erst wenn alle diese Kriterien erfüllt waren, wurden die Marken gestempelt. Andernfalls wurden Sie als vermutliche Fälschung aussortiert, sofern die Technik auch so funktioniert, wie es in dem Postpatent DE 10105273 A1 vom 2.2.2001 beschreiben wurde.
Weiter gab es anfangs zusätzlich noch einige ausgelagerte Briefordnereien, in denen Maschinenstempel mit der Inschrift Briefregion genutzt wurden. Hier wurden aber keine großen Stempelmaschinen eingesetzt.
Zusätzlich gab es weiter in der Anfangszeit in fast allen Briefzentren noch neue Nagler Stempelmaschinen, die vor allem für die frühere Postfreistempelung (Rotstempelung – den heutigen Frankierservice) und vereinzelt auch für die normale Stempelung zur Weihnachtszeit genutzt wurden.
Der Stempelkopf besaß bis Ende Februar 2004 in der Regel nur die Angabe Briefzentrum xy und das Datum, ab dem 1. März 2004 wurden neue Stempelköpfe eingeführt, die im Bereich der früheren PLZ ein Posthorn enthielten.
Ab Herbst 2009 wurden die bisherigen Standard- und Kompaktbriefsortieranlagen durch die derzeitige neue Generation ersetzt, die einen höheren Durchsatz hatte (statt 32.000 Sendungen je Stunde, nun circa 41.000 Sendungen je Stunde). Diese Sortiermaschinen von Siemens, die auch weltweit verkauft wurden, hatten schon damals als Option einen extra vorgesehenen Platz für ein mögliches Tintenstrahldruckmodul zum Entwerten von Briefmarken. Diese Module stammten in der Regel vom Hersteller Postjet Systems Ltd., die in vielen anderen europäischen Ländern eingesetzt werden.
Aufgrund der zunehmenden Ersatzteilprobleme, begannen vermutlich schon 2016 erste Überlegungen, wie ein möglicher Ersatz aussehen könnte. Eine Notlösung war, beispielsweise die Schließung der Briefordnerei im BZ 98 Suhl zum 6. Oktober 2017 und der Verlagerung der noch relativ wenig abgenutzten Aufstell- und Stempelmaschine ins BZ 13. Zum 1. Juli 2019 wurde nun auch im BZ 19 (Schwerin) die Briefordnerei geschlossen und die noch vorhandene Arbeit auf die umlegenden Briefzentren verteilt. Die dortige Stempelmaschine wird vermutlich auch in ein anderes BZ verlagert oder dient als Ersatzteillager für andere wichtigere große Briefzentren. Diese Optionen sind aber nur Notlösungen und reichen nicht aus.
Daher begannen im Spätherbst 2017 im BZ 60 (Frankfurt) die ersten Versuche, in einer Standard- und Kompaktbriefsortieranlage, ein Tintenstrahldruckmodul zu integrieren. Dabei war der benötigte Platz das kleinste Problem. Die Maschine muss vor der ersten Sortierweiche, prüfen, ob die Sendung eine Marke enthält. Wenn ja muss nun eine Prüfung auf Echtheit erfolgen, also Bilderkennung, UV-Prüfung und ob die Seltenen Erden (die sogenannte Superfluoreszenz) vorhanden ist, wenn ja, kann die Marke gestempelt werden, wenn nicht muss sie ausgeschleust werden.
Allerdings ist damit noch nicht das Aufstellproblem gelöst, denn dazu wird gleichzeitig noch eine Wendestrecke für falsch eingeführte Sendungen benötigt, da ja nun die Sendungen von der Briefordnerei direkt nur grob sortiert in die Standard- und Kompaktbriefsortieranlage eingelegt werden. Ob man diese Sendungen einfach im ersten Fach wieder aussteuert und nun erneut richtig herum erneut in die Stoffeingabe einführt, steht derzeit noch nicht fest.
Bezüglich der Stempelversuche sind mindestens drei verschiedene Testphasen nachweisbar. In einer ersten Phase im Spätherbst 2017 wurden alle Sendungen, egal ob sie eine Briefmarke als Freimachung aufwiesen, oder irgend eine andere wie beispielsweise Frankit, einfach mit einer Frankierwelle zusätzlich gestempelt.
Am ersten Tag wurde diese dabei sogar noch mit dem so gut wie nicht modifzierten Testklischee, das von der Postexpo 2017 (Genf) bekannt wurde, bespritzt.Nach dem Weihnachtsverkehr ab circa Mitte Januar 2018 liefen diese Versuche weiter. Die Qualität der Entwertungen war aber nicht gerade berauschend. Dies lang an der dürftigen Auflösung des eingesetzten Tintenstrahldruckmoduls.
Auf der Postexpo 2018 in Hamburg wurde vom Hersteller des getesteten Druckmoduls (Postjet Systems Ltd.) bekannt, das ein verbessertes Druckmodul mit einem senkrechten Paralleldruckkopf mit besserer Auflösung entwickelt und erstmalig im BZ 60 ab dem 9. Oktober versuchsweise getestet wurde.
Ein zweites gleiches Druckmodul wurde kurze Zeit später im BZ 46 (Duisburg) in einer Sortiermaschine eingebaut und auch dort parallel zum BZ Frankfurt getestet. Diese Tests wurden scheinbar im Sommer 2019 positiv beendet. In einen erweiterten Pilot (3. Phase) sollen nun in den drei kleinen Briefzentren BZ 06 (Halle), BZ 53 (Bonn) und im BZ 89 (Ulm) diese Module oder auch verbesserte im etwas größeren Rahmen weiter getestet werden. Ab 2020 bis Ende 2021 werden dann alle anderen Briefzentren mit der selben Technik ausgestattet werden.
Nachträgliche Anmerkungen: Statt den genannten Briefzentren VZ 06, BZ 53 und BZ 89 sind Belege vom BZ 21 (Hamburg) und BZ 99 (Erfurt) mit Tintenstrahlentwertung gegen Ende 2019 aufgetaucht.
Weshalb man dabei nur auf Druckmodule mit wasserlöslicher Tinte setzt, die chemisch teilweise leicht von den Briefmarken entfernt werden kann, ist nicht klar. Alternativ gäbe es ja die Option dokumentenechte UV-härtende Tinte (Tinte auf Polymerbasis) einzusetzen, die nicht so einfach entfernt werden kann. Diese wurde sogar extra vor einigen Jahren bei der Vorausentwertung (Einführung des Digitaldrucks – siehe philatelie 441 – März 2014) zugelassen. Aber scheinbar weiß die eine Seite bei der Post nicht, was im andern Teil des Konzerns schon lange existiert und sicherer wäre. Spätestens Ende 2021 wird also der klassische Maschinenstempel in Deutschland verschwunden sein. Danach gibt es nur noch Tagesstempel, Handrollstempel oder die Tintenstrahlentwertung.
Philatelistische Spuren
Ende September 2017 besuchte der Autor die Postexpo 2017 in Genf. Dort präsentiert unter anderem auch die Firma Postjet Systems Ltd. ihre aktuellen Tintenstrahldruckmodule für alle Hersteller von Sortiermaschinen weltweit. Außer dem einen oder anderen Druckmodul werden dort auch Musterabschläge dieser Module gezeigt. Besonders interessant war dabei ein sehr ungewöhnlicher Musterabschlag von dem Modell Postjet 470/480 scheinbar für die Deutsche Post.
Es bestand aus zwei Frankierwellen, unter denen der Unterscheidungsbuchstabe „ma“ sowie das fiktive Datum 190410 21 Uhr und die Ortsangabe Briefzentrum 96 gespritzt war. Zwischen den beiden Frankierwellen befand sich ein zusätzlicher Dreizeiler in Form einer Uhrzeit, darunter einem realen Datum (11/09/2017) und einer fortlaufende Zählnummer. Nachfragen beim Hersteller ergaben, das es sich hier um einen ersten Testabschlag für ein Tintenstrahldruckmodul für die Deutsche Post AG für die Standard- und Kompaktbriefsortieranlagen gehandelt hat, das scheinbar intern bei Siemens in Konstanz für die Deutsche Post AG getestet wurde. Dort wurde die Druckqualität über einen längeren Zeitraum getestet, daher vermutlich die Zählnummer. Wann und wo weitere Tests beziehungsweise reale Einsätze in Deutschland erfolgen sollten, wurden nicht mitgeteilt.
Knapp vier Wochen später (25. Oktober 2017) wurde dem Autor aber eine erste Kopie eines ähnlichen Tintenstrahldrucks auf einem Brief aus Deutschland vorgelegt. Ein zweiter Beleg wurde kurze Zeit später auf philaseiten gepostet. Diese zwei vorgelegten Nachweise hatten fast noch das gleiche optische Aussehen, wie es in Genf erstmals zu sehen war. Die Frankierwelle war hier drei mal auf dem langformatigen Umschlag aufgespritzt.
Zwischen der ganz linken Frankierwelle und der mittleren wurde noch eine Uhrzeit vermerkt. Ein tatsächliches Datum und oder eine Zählnummer, so wie bei dem aus Genf bekannten Musterabschlag war hier nicht mehr vorhanden. Unter der jeweiligen Frankierwelle waren noch die falschen Angaben Briefzentrum 96 , der Unterscheidungsbuchstabe „ma“, das fiktive Datum 190410 und die fiktive Uhrzeit 21 Uhr angegeben. Dieser erste Test muss am 24. Oktober 2017 vermutlich in Frankfurt im dortigen Briefzentrum stattgefunden haben. Bespritzt wurden mit diesen Angaben scheinbar alle Briefe, egal ob Sie eine Briefmarke als Freimachung aufwiesen oder irgend eine andere Form der Freimachung.
Ab dem nächsten Test wurden alle Sendungen, die die Sortieranlage durchliefen, zwar weiter mit einer zusätzlichen Tintenstrahlentwertung bespritzt, allerdings nur in Form einer Frankierwelle ohne weitere Informationen wie beispielsweise einen Unterscheidungsbuchstaben. Diese Versuche fanden vereinzelt im November 2017 statt und wurden mit Beginn des Weihnachtsverkehrs (Starkverkehrs) eingestellt. Im Januar 2018 wurden diese Tests weitergeführt. Dann wurde es bezüglich der nachweisbaren Spuren erst einmal wieder etwas ruhiger.
Auf der nächsten Postexpo 2018 in Hamburg Anfang Okober 2018 wurden bei einem Besuch am Stand des Herstellers Postjet Systems Ltd. neue Fakten bekannt. Die Firma hatte in der Zwischenzeit ein verbessertes neues Modul mit der Bezeichnung PostJet 470 TS entwickelt.
Der Unterschied zum alten Modul ist, das hier parallel zwei senkrechte Tintenstrahldruckdüsenzeilen im geringen Abstand nebeneinander sitzen. Dies führt nun zu einer besseren Auflösung von 300 x 298 dpi, wie auch ein Musterabschlag vom 9.3.2018 auf einer englischen Marke zeigt.
Die Deutsche Post hatte von diesem neuen Druckkopf zwei Module gekauft und eins davon schon in Frankfurt im BZ 60 in eine der dortigen Standard- und Kompaktbriefsortieranlagen eingebaut. Der erste Versuch diesbezüglich lief am Montag den 8. Oktober 2018, wie ein Handyfoto vom Hersteller belegt.
Nun wurden erstmals nur Sendungen mit Briefmarken entwertet. Die zweite Besonderheit war, das nun seit diesem Zeitpunkt ein Werbeeinsatz mitgedruckt wird.
Das zweite gekaufte Modul wurde wenige Wochen später in eine Sortiermaschine im Briefzentrum 46 (Duisburg) eingebaut. Im Unterschied zu Frankfurt ist die Duisburger Werbung teilweise doppelt so lang, dies ist ja beim Tintenstrahldruck kein Problem.
Seit Oktober / November 2018 sind nun diese beiden Entwertemodule in Einsatz und entwerten den Teil der Sendungen, der zufälligerweise durch eine dieser beiden Sortiermaschinen läuft. In den nächsten Tagen soll dieser Versuch nun auf drei weitere Briefzentren (beispielsweise BZ 53 – Bonn) ausgeweitet werden.
Nachträgliche Anmerkungen: Statt der ersten Meldungen sind gegen Ende 2019 noch in den Briefzentren BZ 21 (Hamburg Süd) und BZ 99 (Erfurt) aufgetaucht.
In den folgenden zwei Jahren (2020 und 2021) werden dann schrittweise alle anderen Sortiermaschinen mit der selben Technologie ausgerüstet werden. Somit werden die bisherigen Maschinenstempel spätestens Ende 2021 verschwunden sein. Die Post wird dann fast nur noch durch Tintenstrahldrucker entwertet werden.
Speziell bei Großbriefen wird es vereinzelt auch noch eine Abstempelung mittels Handrollstempeln geben. Es gab und gibt zwar seit der Einführung der Tintenstrahldrucker in den Großbriefsortieranlagen (GSA) immer mal wieder vereinzelte Standard- oder Kompaktbriefe, die dort entwertet wurden, diese lassen sich aber leicht von den neuen Entwertungen unterscheiden. Bei der neuen Tintenstrahlentwertung ist die Frankierwelle mit Angaben immer rechts oben (dort wo vorher der klassische Stempelkopf war). Links daneben ist mit 99 Prozent auch immer eine Postwerbung vorhanden. Im Gegensatz dazu ist bei einer eventuellen Stempelung durch eine GSA nur eine Frankierwelle mit Angaben vorhanden. Diese besitzt keine nebenstehende Werbung und diese ist nicht präzise immer rechts oben im ungefähr gleichen Abstand zum Sendungsrand plaziert.
Nur am Rande zu diesem Artikel soll noch vermerkt werden, das diese großen Stempelmaschinen auch für den Frankierservice genutzt werden. Dafür gibt es extra Stempelköpfe mit etwas anderen Durchmesser des Tagesstempels, aber ohne Posthorn. Allerdings sind diese Stempelköpfe universell nutzbar. Beim Zusammenstellen dieses Baukastensystems von Stempelkopf und Werbeklischee entstanden so teils mehr oder weniger nicht alltägliche Varianten, aber dies ist bald auch ein Teil der Stempelgeschichte.
Resümee:
Je nach Größe des Briefzentrums gab es in den letzten Jahren hier also eine mehr oder weniger große Vielfalt von möglichen Stempelabschlägen. Diese Postgeschichte gehört zu jeder Heimatsammlung dazu. Tragen Sie diese noch zusammen, bevor es zu spät ist, und die Belege nur noch vereinzelt in der einen oder anderen Wühlkiste zu finden sind. Auch wenn vermutlich viele Briefmarkensammler die Tintenstrahlentwertung nicht besonders mögen, sie ist ein Teil der Postautomation und diese sollte auch weiter dokumentiert und für die Zukunft festgehalten werden. Weiter bietet es sich hier an, mit wenig Kostenaufwand eine interessante Sammlung aufzubauen.