Das kurze Leben des Briefzentrums Wuppertals 

(erschienen in der philatelie 241 - Februar 2004)

 

Am 4. Mai wurde mit einer schönen Eröffnungsfeier das Briefzentrum Wuppertal (BZ 42) eingeweiht. Aber knapp fünf Jahre und sechs Monate später naht zügig das Ende. Mit Anweisung vom 7. Oktober 2003 wurde bekannt gegeben, dass das BZ 42 zum 1. Dezember 2003 aufgehoben wird. Somit existieren nur noch 82 Briefzentren. Die Aufgabe des Briefzentrums wurden Zug um Zug auf die benachbarten Briefzentren Düsseldorf (40), Essen (45) und Hagen (58) übertragen. Aus diesem Anlass erfolgt ein philatelistischer und postgeschichtlicher Rückblick über das kurze Leben des Briefzentrums.

Sonderpostsache für die Einladungsbestätigung zur Eröffnungsfeier - Vorderseite

 

Aufbau und Ausrüstung

Das Wuppertaler Briefzentrum versorgte den Postleitzahlenbereich 42 und bearbeitete ca. 1,3 Millionen Briefe pro Tag. Es handelte sich also um ein durchlauforientiertes Briefzentrum der Größe M. Durchlauforientiert bedeutet, das die Post links zugeführt wird, und dann in drei Produktionszonen (Großbrief, Maxibrief, Standard- und Kompaktbrief) Schritt für Schritt nach rechts bearbeitet wird. Auf der rechten Seite befindet sich dann die Kommissionierung und das Verladen der fertig bearbeiteten Post. Im angegliederten Verwaltungsteil befindet sich auch im Erdgeschoss unter anderem die Verpackungsstelle, die Postfachsortierung, die Großannahme, die Briefordnerei (BO), die Videocodierung und die Wertstelle.

Konzept der durchlauforientierten Briefzentren

 

Baubeginn war der 17. April 1997. Die Vorlaufphase begann am 16. Februar 1998, ab diesem Tag wurden Briefe im neuen Briefzentrum gestempelt und bearbeitet (Ersttag "Briefzentrum 42"). In entsprechenden Stufen wurden nun jeden Tag weitere Sendungsströme von den alten Bearbeitungsstellen zum neuen Briefzentrum umgeleitet. Postamtliche Stichtage dazu waren die Anlaufphase am 2. März 1998 und der Netzanschluß am 30. März 1998.

Einschreiben mit dem Sonderstempel vom Eröffnungstag - 4. Mai 1998

 

Die technische Ausrüstung bestand aus drei Anschriftenlesemaschinen (ALM), einer integrierten Videocodiermaschine (ILVM), drei Feinsortiermaschinen (FSM), zwei Großbriefsortieranlagen (GSA) und zwei Aufstellmaschinen (AM 991). Hersteller der ALM, der ILVM, der FSM und der GSA ist die Firma Siemens Elctro Com GmbH. Der Durchsatz je Maschine beträgt für die ALM und FSM ca. 33 000 Sendungen je Stunde, bei der ILVM sind es ca. 1 500 Sendungen je Stunde weniger. Die GSA hat einen typischen Durchsatz von 15 000 Sendungen je Stunde. Die jedem bekannte Kodierung wird entweder in der ALM oder ILVM angebracht, die GSA arbeitet mit einem verlorenen Code; somit ist auf Großbriefen auch nichts zu finden (Ausnahme IPZ 1 und2).

Jedes Briefzentrum bearbeitet sowohl die ausgehende Post (BZA) im Zeitbereich von ca. 17 Uhr bis 20 Uhr als auch die eingehende Post (BZE) im Bereich von ca. zwei Uhr bis sechs Uhr. Zusätzlich werden in der Regel vormittags bis zum frühen Nachmittag nichteilige Infopost und Pressepost bearbeitet.

Regelnetz für Briefe - die Zeitachse, wann was passiert

 

Die vorhandenen Verkehrsmengen konnten natürlich nicht auf ein einziges Briefzentrum in der Nachbarschaft übertragen werden. Daher wurde im Falle von Wuppertal der ganze BZE Sendungsstrom nach Düsseldorf zum BZ 40 verlagert. Diese Verlagerung erfolgte nach bisherigen Erkenntnisstand Anfang November 2003. Die abgehende Post (BZA) wurde teilweise zum Briefzentrum Haben (BZ 58) und teilweise zum Briefzentrum Essen (BZ 45) verlagert. Wann dies passiert ist, konnte bisher noch nicht genau festgestellt werden, da diese ganzen Verlagerungen schrittweise im Laufe des Oktobers und Novembers 2003 erfolgten. Die Großannahme soll letztmals am 21. oder 22. November im Briefzentrum offen gewesen sein, danach erfolgte ein Umzug in ein anderes Gebäude. Zu diesem Zeitpunkt soll nach bisherigen Erkenntnissen das Gebäude schon weitgehend geräumt gewesen sein. Zwar wurden mittlerweile vereinzelt Belege aus Sammlerhand mit Stempeldaten vom 30. November oder sogar vom 1. Dezember 2003 bekannt, dies dürften aber Gefälligkeitsabstempelunen gewesen sein. Der wirkliche Letzttag war teilweise (beispielsweise für die Maschinenstempelung) schon viel früher. Daher bittet der Autor  die Leser, ihm Kopien von Belegen ab Mitte Oktober 2003 bis November 2003 zuzusenden, um hier entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen. Die vorhandenen Maschinen wurden teils an die benachbarten Briefzentren (40, 45, 58) verlagert, teils sollen sie auch an andere Orte umgesetzt worden sein. Details dazu liegen aber noch nicht vor.

Wertbrief, aufgeliefert in den ersten Tagen (16. März 1998) am Großannahmeschalter des BZ 42 - UB "d"

 

Stempel des Briefzentrums

Das interessante aus philatelistischer und postgeschichtlicher Sicht sind natürlich die diversen Stempel, die vor Ort eingesetzt wurden. Innerhalb jedes Briefzentrums gibt es verschiedene Bereiche, die Stempel benötigen und auch einsetzen. Der erste Bereich ist die Großannahmestelle, an der jedermann Post in kleinen und großen Mengen aufliefern kann. Aufgrund ihrer Funktion stehen an diesen Schaltern natürlich nicht alle Dienstleistungen der gelben Post zur Verfügung. Je nach örtlichen Gegebenheiten sind bestimmte Produkte nicht vorhanden. In der Regel befindet sich hier mindestens ein Handstempel, ein Handrollstempel sowie diverse Gummistempel wie beispielsweise mit "Entgelt bezahlt" oder "Taxe perque".

Gummistempel "Entgelt bezahlt" vom Großannahmeschalter

 

Direkt in der Nähe befindet sich die Briefordnerei (BO), in der die Briefe nach Formaten getrennt und gestempelt werden. Aufgrund der räumlichen Nähe und anderer Fakten kommt es deshalb besonders in diesen Bereich immer wieder vor, dass der eine oder andere Stempel der laut Planung in der Großannahme benutzt werden soll, doch in der Briefordnerei eingesetzt wird und umgekehrt. Daher ist hier eine Zuordnung von bestimmten Stempelbuchstaben nicht 100% eindeutig.

Das Wuppertaler Briefzentrum verfügte übrigens über zwei Briefordnereien. Jede BO ist mit einigen wenigen Fauststempeln, mit vielen Handrollstempeln und mit einer Aufstell- und Stempelmaschine AM 991 ausgerüstet. Hierbei handelt es sich um eine große leistungsfähige Maschine der Firma Siemens Electro Com GmbH mit einem typischen Druchsatz von 34 5000 Sendungen je Stunde. Jede dieser Maschinen ist mit zwei Stempelköpfen mit dem selben Unterscheidungsbuchstaben ausgestattet. Außerdem besaß mindestens eine Briefordnerei noch eine Stempelmaschine der Firma Nagler, die in der Regel für die Postfreistempelung und später den Frankierservice benutzt wurde. Als der Frankierservice auf dicke, nicht maschinenfähige Sendungen erweitert wurde, hat auch das BZ 42 entsprechende Handrollstempel erhalten.

Ladeliste vom BZ 42 ans BZ 63 mit ungewöhnlichen Innendienststempel "Briefregion 42" vom 23. März 1998

 

Welche Stempel die Verpackungsstelle, die Nachschlagstelle (später ZAC-Stelle - zum Schluss SAM-Stelle) eingesetzt hat, ist bis heute praktisch unerforscht. Stempelführende Stelle war auch die Wertstelle, die nach ihrer Auflösung die Funktion von Postexpress und Wert International übernommen hat. Hier handelt es sich um eine reine Innendienststelle, Stempel können hier beispielsweise nur sinnvoll auf Wertbeutelfahnen oder Ladezetteln existieren. Zeitweilig gab es auch bei der zentralen Zustellkassenabrechnung (ZZK) einen Tagesstempel

 

Besonderheiten

Da bei einigen Briefzentren schon vor dem Bau oder dem Netzanschluss zentralisierte Briefordnereien aufgebaut wurden, verwendete man daher in der Regel "Briefregionsstempel". Wuppertal ist auch so ein Falll. Hier wurde schon nachweisbar im Herbst 1996 mit Briefregion gestempelt, letztmals sollen diese Stempel am 13. Februar 1998 eingesetzt worden sein. Amtliche Quellen zu finden, die belegen können, ab wann hier erstmals solche Stempel wo eingesetzt wurden, ist nicht möglich. Zwar wird der eine oder andere Sammler über Daten verfügen, eine Veröffentlichung über vorhandene Stempel und entsprechende Laufzeiten dieser Stempel steckt aber forschungsmäßig noch in den Anfängen. Bekannt sind hier verschiedene Handrollstempel und Maschinenstempel. Daten bezüglich der entsprechenden Unterscheidungsbuchstaben kann man der Tabelle entnehmen.

Tabelle mit einer Übersicht über die bekannten Unterscheidungsbuchstaben

 

Laufzeitangaben, wann welcher dieser Stempel nun wirklich eingesetzt wurde, stecken noch in den Kinderschuhen. Besonders interessant ist aber, dass in der Wertstelle des Briefzentrums scheinbar eine Ausnahme in Form eines Fauststempels mit "Briefregion 42" existiert, der bis zum Ende eingesetzt wurde (UB "f"). Nachweisbar sind aber auch Postfreistempel mit der Bezeichnung "Briefregion 42".

Postfreistempelung einer Postkarte mit "Briefregion 42" vom 1. Dezember 1997 - UB "mu"

 

Nur in dieser Form aus Wuppertal bekannt, ist ein Rechteckstempel "Briefregion 42" mit Datumsangabe für die Abstempelung von Beutelfahnen. Das früheste Datum, daß hier bekannt ist stammt vom 28. Oktober 1996, das spätestes bisher bekannte Datum vom 6. März 1997. Ähnliche Stempel mit der Bezeichnung Briefzentrum xy sind allerdings von einigen anderen Briefzentren bekannt - beispielsweise von Mannheim.

Nachtluftpostbeutelfahne mit ungewöhnlichem Briefregionsstempel vom 6. März 1997

 

Interessant ist ferner, dass es auch im Briefzentrum in der Briefordnerei zwei Rollstempel mit "42119 Wuppertal" statt "Briefzentrum 42" gab. Bezüglich der eingesetzten Werbeklischees bei den Maschinenstempeln im Briefzentrum wurden bisher fün verschiedene bekannt, davon vier Maschinenserienstempel, wie beispielsweise "Achtung Pfennigmarken ..."

Postfreistempelung "Briefzentrum 42" vom ersten Tag - 16. Februar 1998

 

Seltener ist auf alle Fälle ein Klischee mit spezieller Werbung für die Wuppertaler Region. Selten dürften auch Belege mit Postfreistempelung mit "Briefzentrum 42" sein, da ja schon zum 1. Januar 1998 (also nach zehn Monaten) auf den Frankierservice umgestellt wurde. Hier gibt es übrigens auch einen äußerst ungewöhnlichen Fall zu melden, ein Stempel "Briefzentrum 42" mit kopfstehenden Datumsangaben vom 12. Februar 2001.

Kopfstehendes Datum beim Frankierservice - 12. Februar 2001 - UB "mg"

 

Maschinenstempel Frankierservice mit Posteigenwerbung aus Wuppertal sind mir nicht bekannt, sollen aber existieren. Stempel mit Unterscheidungsbuchstaben "zsp" wurden nach der bisherigen Forschung nicht angeschafft oder eingesetzt. Postalische Nebenstempel aus dem Briefzentrum aus dem Bereich der Verpackungsstelle, der Nachschlagstellen ZAC und SAM sind so gut wie unerforscht. Bekannt ist zumindest hier ein Stempel für den Fall, dass Belege in der Maschine beschädigt wurden. Dieser Stempel weist direkt auf das Briefzentrum Wuppertal hin, einen Bedarsbrief dazu habe ich aber noch nicht gesehen.

postalischer Nebenstempel vom BZ 42 - auf Brief aber bisher noch nicht gefunden

 

Als Sonderstempel gibt es nur den Stempel anlässlich der Eröffnung. Einen "Tag der offenen Tür" wie bei vielen anderen Briefzentren mit entsprechenden Sonderstempel gab es nicht. In diesem Zusammenhang sollte vielleicht doch noch einmal auf die Großannahme hingewiesen werden. Dort kann man unter anderen Einschreiben und Wertbriefe aufliefern. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Briefzentrums gab es ja schon Einschreiblabel, das heißt, besondere Einschreibzettel sind hier nicht zu melden. Bezüglich der Wertbriefe sieht es aber etwas anders aus. Hier bestand anfangs noch die Möglichkeit, Wertbriefe ins Ausland mit Wuppertaler V-Zetteln aufzuliefern. Benutzt wurden dazu Wertzettel aus 42119 Wuppertal 1, die teils handschriftlich mit der Postleitzahl 42329 versehen wurden.

Anlässlich der Eröffnung wurde auch eine sehr dekorative Sonderpostsache hergestellt, in der die eingeladenen Gäste an die Düsseldorfer Pressestelle antworten sollten, ob sie kommen oder nicht. Auf der Vorderseite dieser Karte ist der Umriss des Leitbereichs 42 zu sehen. Zur Feier selbst wurde übrigens eine ähnlich schön gestaltete Portocard (QP-1998-500-12b) an die anwesenden Gäste verteilt. Dokumentieren lässt sich das Briefzentrum natürlich auch über die Nachfolger der Beutelfahnen, den Infoträgern.

Nachtluftpostinfoträger vom BZ 42

 

Infoträger vom BZ 42 für Wertbriefe oder Expressbriefe ins Ausland

 

Arbeitsgemeinschaften

Wer sich mit dem interessanten Thema Briefzentren beschäftigt, kann Hilfe bei unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften und Forschungsgemeinschaften finden. Dies liegt auch daran, dass das Thema Briefzentrum so vielfältig ist. Zwar bemühen sich einige dieser Argen, auch entsprechende Studiengrupppen mit einem umfangreichen Wissen aufzubauen, oft handelt es sich hier aber dann nur um besonders fleißige Einzelkämpfer, die aber in der Regel vielfälitge Querkontakte pflegen und hegen. Daher existieren hier je nach Arbeitsgemeinschaft entsprechende Schwerpunkte, die besonders gut erfasst sind und andere, die nur am Rande verfolgt werden. Genannt werden sollten hier die Arbeitsgemeinschaft Briefpostautomation, die Arbeitsgemeinschaft Forschung Deutche Bundespost (ehemals AGF), die Forschungsgemeinschaft Post- und Absenderfreistempel, die Stempelgilde und die Arbeitsgemeinschaft R- + V-Zettel. Alle diese Arbeitsgemeinschaften helfen gerne weiter.

 

Literatur

Bezüglich der Literatur gibt es folgende Werke zu melden:

  • Briefe gehen neue Wege von Peter Kretzschmar, Heft 154 der Stempelgilde (Datenstand März 1999)
  • Brief 2000 - Die High-Tech-Offensive der Briefpost, von Günther Borchers, hrsg. von der Forschungsgemeinschaft Post- und Absenderfreistempel (Datenstand Januar 2000)
  • Tagesstempel bei Aufbau und Betrieb der 83 Briefzentren der Deutschen Post AG, von Peter Morgen (Datenanfangsbestand: Dezember 2000 - durch Nachträge schon mehrmals aktualisiert), Eigenverlag
  • Die Briefabriken der Deutschen Post - Herausgeber Deutsche Post, Zentrale, Unternehmenskommunikation
  • Kurzübersicht der Unterscheidungsbuchstaben der Briefregions- und Briefzentrumsstempel, von Michael Hofmeister - Datenstanda: Dezember 2003, Eigenverlag

Eine ausführliche Adressliste mit entsprechenden Daten der Arbeitsgemeinschaften und der Bezugsmöglichkeiten der Literatur kann mit einem frankierten Rückumschlag vom Autor angefordert werden.

 

Resümee

Der Arikel zeigt, das hier an vielen Stellen noch intensive Forschungsarbeit nötigt ist, um die teils extrem großen Datenlücken, beispielsweise von der maximalen Einsatzdauer verschiedener Stempel, zu erschließen. Der Autor möchte daher zur Mitarbeit aufrufen. Eine Adressliste mit entsprechenden Gleichgesinnten kann gegen einen frankierten Rückumschlag zurück geschickt werden. Kopien von Belegen aus den letzten sechs Wochen von Mitte Oktober sowie alles zum Bereich Postfreistempelung und Frankierservice vom Briefzentrum 42 sind bitte direkt an den Autor erbeten:

Jürgen Olschimke

Taunushöhe 24

65779 Kelkheim

Bitte haben Sie aber schon jetzt Verständnis dafür, dass ich aus Zeitgründen nicht jedem antworten kann, sondern nur bei bestimmten Besonderheiten nachfragen werde. Die zugeschickten Informationen werden auch an die anderen Spezialisten zur Erfassung und Auswertung weitergeleitet - danke!