Der vergessene Versuch (der Paketannahmeautomat von Crisplant)
(Vorabveröffentlichung - erscheint in philatelie 422 - August 2012)
> Link zum Artikel über die Postdienstleistungsautomaten (PDL-Automat) an den selben Standorten im Anschluß an diesen Versuch (wird freigeschaltet, sobald dieser Artikel hier auf der Homepage eingestellt wurde)
Vor etwas mehr als zehn Jahren war die Postfiliale noch ein elementarer Bestandteil des Konzeptes der Deutschen Post AG. Eine flächendeckende Umwandlung in nicht eigenbetriebene Postagenturen und Postpoints stand nicht zur Debatte. Dafür wollte man durch verschiedene Automaten unterschiedlichster Art die Filialen von Tätigkeiten mit geringerer Wertschöpfung entlasten und somit Kapazitäten freisetzen. Erreicht werden sollte dies durch Warenverkaufsautomaten, Paketannahmeautomaten, die schon installierten Briefmarkenautomaten von Sielaff sowie von Portoermittlungshilfen (PEH).
Diese Versuche begannen im Herbst 2001 und endeten still und heimlich vor zehn Jahren im Frühjahr 2002. Während über die Sielaff-Münzwertzeichendrucker und die Portoermittlungshilfen teils ausführlich berichtet wurde, ist den meisten Sammlern und Postgeschichtlern der Versuch mit dem Warenverkaufsautomaten und der Paketannahmeautomaten entgangen bzw. allgemein in Vergessenheit geraten. Es bietet sich daher an, nach zehn Jahren das Paketannahmesystem nachträglich etwas näher zu beleuchten.
Der Paketannahmeautomat von Crisplant
Die postalischen Quellen zu diesem Versuch sind leider sehr dünn gesät. Eine der wenigen offiziellen Quellen war die Mitarbeiterzeitung der Deutschen Post AG "Premium Post Nr. 10/2001". Dort wurde über den Versuch kurz berichtet. Nach der bundesweiten Umstellung der Briefmarkenautomaten auf die Geräte der Firma Sielaff, wurden im Rahmen der Entlastung der Schalter von Standarddienstleistungen im September 2001 in 15 Filialen der Niederlassungen in Erfurt, Münster, Hannover und Köln teils im 24-Stundenbereich, teils neben den Verkaufsschaltern der Paketannahmeautomat von der dänischen Firma Crisplant aufgestellt.
Eine Presseanfrage vom November 2001 brachte einige weitere Details zu Tage. Bei den 15 Filialen handelte es sich um Münster, Herne 2, Gelsenkrichen 1, Erfurt 1, Gera 1, Gotha 1, Hannover 1, Hildesheim, Göttingen, Braunschweig 1, Braunschweig 31, Köln, Bergheim, Düren und Euskirchen.
Die meisten dieser Standorte waren dann kurze Zeit später auch die gleichen Versuchsstandorte für den Postdienstleistungsautomaten (PDL) von Samkyung (Ergänzung Verlinkung dorthin erfolgt, sobald der Artikel über das PDL-Gerät erfaßt ist). Der Versuch sollte bis Ende 2001 laufen, die Geräte waren aber teilweise bis Mai 2002 funktionsfähig. Dies ist besonders interessant, da ja zum 1. Januar 2002 der Euro eingeführt wurde und somit die Geräte noch auf Euro umgestellt wurden.
Amtlich vorgestellt wurden die jeweiligen Geräte vor Ort an den Versuchsstandorten durch entsprechende dreiteilge gefaltete Werbeflyer. Der für die Paketannahme hatte auf der Vorderseite den Spruch "Nimmt Pakete leicht und gern". Die Praxis sah allerdings wesentlich anders aus, als dieser Spruch vermuten lässt, dazu aber später mehr.
Auf der linken Innenseite wurde das Gerät abgebildet und mit Erklärungen versehen. Das Gerät selbst war zweiteilig, links der große Eingabeschacht, rechts der Bedienteil für den Kunden. Oben war ein Bildschirm, rechts davon und unterhalb waren Tasten angeordnet, die je nach Menue aktiv waren. Links neben dem Bildschirm befand sich der Einwurfschlitz für Münzen. Etwas rechts unterhalb des Bildschirms war ein Schlitz, der zum Schluß die Einlieferungsquittung ausgeben sollte. Unterhalb war das Kartenlesegerät für Keditkarten und oder Geldkarten sowie einem Schlitz für Geldscheinannahme sowie die dazugehörige Tastatur zur Eingabe einer Pin. Links davon befand sich ein Ausgabeschlitz für die Paketlabel.
Annehmen konnte der Paketannahmeautomat Pakete ohne Extras, unfreie Pakete, Retourenpakete, mit Paketmarken (Freewaymarken) freigemachte Pakete sowie Päckchen und mit Päckchenmarken freigemachte Sendungen. Dazu musste der Kunde als erstes die Sendung in die Eingabeöffnung legen. Ein Scanner untersuchte nun das eingelegte Paket auf eine schon aufgeklebte Freewaypaketmarke oder einen Paketaufkleber mit automatenfähigen Paketschein.
Da es dies damals noch nicht gab, konnte man neben dem Annahmeautomat an einem Ständer diese speziellen Paketaufkleber mit einem Strichcode finden.
Diese musste man nun nur im Falle einer Paketeinlieferung ausfüllen und auf der Sendung aufkleben. Nach dem erneuten Einlegen des Paketes mit diesem Paketaufkleber mit Strichcode erkannte der Automat, dass es sich um ein noch zu bezahlendes Paket handelte. Es folgte der Zahlvorgang, falls erforderlich. Anschließend gab der Automat ein spezielles Freimachungslabel links unten in der Mitte aus.
Dieses klebte der Kunde auf das Paket. Das Paket wurde wieder eingelegt, der Scanner erkannte nun, dass alles bezahlt war und erfasste den Identcode falls erforderlich und ein Förderband sprang an und transportierte das Paket nach hinten.
Abschließende erfolgte die Ausgabe des Einlieferungsscheins und einer Quittung.
Das Freimachungslabel selbst hatte eine Größe von 95 x 50 Millimeter und war zweiteilig aufgebaut. Rechts war eine 60 Millimeter breite weiße Fläche, die je nach Vorgang mit einem entsprechenden Strichcode und weiteren Zusatzinformationen bedruckt wurde. Der restliche rechte Teil war gelb, mit einer weißen Unterbrechung 8 Millimeter vom oberen Rand. In dieses obere Feld wurde immer "Deutsche Post" und das Posthorn gedruckt. Der untere gelbe Teil wurde nur bedruckt, wenn es sich um ein unfreies Paket handelte. Erfasst wurde hier zum einen die Gewichtsstufe, darunter "Unfrei" einmal klein und einmal groß gedruckt sowie rechts davon eine vierstellige Zahl. Es folgte der Druck des Unfrei-Aufklebers mit dem bekannten großen E und dem einzuziehenden Entgelt mit der Angabe in DM und Pfennig. Im linken weißen Teil wurden zwei Strichcodes gedruckt. Der obere war für das Produkt unfrei, der untere ist der jeweilige Identcode des Paketes gewesen.
Handelte es sich allerdings um ein Paket wurde nur der rechte weiße Teil bedruckt. Hier wurde oben zuerst die Portostufe des Paketes sowie der dazugehörige Preis in DM gedruckt. In der nächsten Zeile erfolgte der Druck "Postpaket" und in Klammern der Preis in Euro. Anschließend wurde der Identcode als Strichcode und darunter in Klarschrift gedruckt, soweit die Fakten.
Nachträgliche Ergänzung: Zwar kann man die Standorte leider nicht über die Quittungen und die dort vermutlich auch teilweise vorgesehen aber nicht sauber programmierten Felder (4-stellige Ziffer über Strichcode) oder auf der Quittung zuordnen, aber bezüglich der Pakete kann man anhand der Paketnummernkreise, die die Maschinen vergeben haben, einige der Standorte sauber zuweisen:
Jedes Paket hat am Anfang die selben Nummern 56.1009 - die nächsten 2 Zahlen sind der dem jeweiligen Standort zugewiesene Nummernkreis, die restlichen 3 Ziffern eine fortlaufende Nummer und die letzte Zahl die übliche Prüfziffer
00 = Postexpo / 02 = Gotha / 07 = Hannover / 08 = Göttingen / 14 = Gelsenkirchen / 15 = Herne und 05 = vermutlich einer der beiden Standorte von Brauschweig (Ende der nachträglichen Ergänzung)
In der Praxis sah es aber viel anders aus, da das System nicht sehr ausgereift war. Es gab keine Einweisung von extra abgestellten Personal, nur der Flyer sollte dem Kunden helfen. Dazu hätte als wesentliches Element der Scanner sehr gut funktionieren müssen, denn ohne ordentliches Scannen konnte man kein Paket aufliefern. Aber dies war einer der großen Schwachpunkte des Gerätes, der Scanner funktionierte oft nicht oder nur teilweise mit entsprechenden Folgen. Beispielsweise funktionierte zwar der Annahmevorgang bis zum bezahlen und dem Labeldruck, aber die folgende Einlieferung klappte nicht mehr, mangels fehlerhaften Scanners.
Bei den Geräten, die im Schalterbereich standen, konnte man nun einen Postmitarbeiter holen. Diese waren über die Geräte nicht gerade begeistert, da Sie ihnen die Arbeit wegnehmen sollten. entsprechend motiviert wurde einem oft geholfen.
Ergänzung: Weitere provisorische Quittungen, da die Geräte in Hannover und Göttingen oft keinen kompletten Durchgang schafften:
War das Gerät defekt, musste die Firma Crisplant kommen, was teilweise auch etwas dauerte.
Aufgrund des unausgereiften Gerätes und speziell des mangelhaften Scanners dürften über diese Systeme nur sehr wenige Pakete und Päckchen eingeliefert worden sein, da die Geräte mehr kaputt oder gestört waren, als funktionsfähig.
Ab Anfang 2002 gab es ja außerdem nur noch die Bezahlung in Euro. Dazu wurden diese Geräte zwar umgestellt, aber die Bezahlung war jetzt nur noch mit Geldkarte oder EC-Karte möglich. Zumindest konnte ich Mitte Mai im Vorraum des Postamtes Gotha 1 (im 24-Stundenbereich) an einem Paketannahmeautomaten von Crisplant zumindest ein Paket und ein Päckchen in Euro aufgeben, bevor das Gerät seinen Geist aufgab, allerdings ohne Einlieferungsbescheinigung, da diese Ausgabe defekt war. Solche Sendungen mit Eurolabel dürften noch viel seltener sein, als die schon seltenen DM-Label bis Ende 2001.
Wann diese Geräte abgebaut wurden, ist leider nicht bekannt, dies dürfte aber spätestens kurz vor Inbetriebnahme der neuen Postdienstleistungsautomaten (PDL) von der Firma Samkyung gewesen sein, da es sich hier fast immer um die selben Standorte handelte. Dieser PDL-Automat konnte übrigens auch Pakete annehmen und hatte viel besser funktioniert.
Zur selben Zeit gab es außerdem die ersten Versuche mit der Packstation, die damals aber nur Pakete abgeben und nicht annehmen konnten. Vorgestellt wurde der Paketannahmeautomat von Crisplant übrigens noch einmal nachträglich auf der Postexpo 2002 in Köln. Dort konnte ich damals noch nachträglich zu Testzwecken ein Freewaypaket aufliefern, wie die entsprechende Quittung vom 8. Oktober 2002 belegt.
Außerdem zeigte dort die Firma Prokent AG aus Ilmenau ein ähnliches Paketannahmegerät, dass die Post für die Tests vor Ort aber nicht genommen hatte. (Ergänzung: ausführlicher Firmenprospekt mit technischen Daten des Gerätes am Ende des Artikels, wenn Sie diesem Link folgen)
Diese Firma entwickelte fast zur selben Zeit noch einen Postdienstleistungsautomaten (PDL-Gerät), wurde aber im Jahr 2003 von der Firma Wincor Nixdorf übernommen. (Ergänzung: Auf dem Messestand von Wincor Nixdorf auf der Postexpo 2003 war etwas versteckt dieses PDL-Gerät noch zu sehen)
Resümee
Postgeschichtliche Spuren von dem Paketannahmeautomaten sind extrem selten zu finden. Noch seltener als die Spuren vom Paketannahmeautomaten aus der DM-Zeit sind Quittungen oder Verpackungen mit Inhalt aus dem Warenverkaufsautomaten (von Wurlitzer ?) zu finden.
Aus der Europhase sind postgeschichtliche Spuren schon fast vergleichbar mit einer blauen Mauritius oder wer kann mir hier entsprechende Abbildungen für Forschungszwecke zur Verfügung stellen? Aber vielleicht schlummert ja irgendwo doch noch viel mehr, als vermutet. Melden Sie sich doch bitte, wenn Sie hier etwas haben - Danke.
Arbeitsgemeinschaften
Die Arbeitsgemeinschaft Briefpostautomation beschäftigt scih seit ihrer Gründung mit allen Aspekten der Automatisierung, so natürlich auch mit dem Paketannahmeautomaten oder dem Warenverkaufsautomat der Deutschen Post AG. Wer weitere Informationen über diesen Warenverkaufsautomaten sucht, findet diese im aktuellen Rundbrief der ArGe. Ansprechpartner ist der Rundbriefredakteuer Heinz Friedberg, erreichbar per E-Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder im Internet über die Webseite der Arbeitsgemeinschaft www.arge-briefpostautomation.de
Ergänzende Abbildungen zu diesem Artikel:
Weitere Infos zum Paketannahmeautomat von Chrisplant (Parcel Mate) - Firmenprospekt:
Weitere Infos zum Paketannahmeautomat von Prokent - Firmenprospekt: