Das Ende der schwarzen Stempelfarbe
Blau gehört die Zukunft
Erste Ergebnisse des Stempelversuchs
(Vorabveröffentlichung - erscheint in der DBZ 02-2021 - 8. Januar 2021)
Anfang November 2019 gab es von der Deutschen Post AG eine Umfrage zu Marken mit Datamatrixcode und roter Stempelfarbe (philatelie 511 – Januar 2020). Am 3. März 2020 stellte die Deutsche Post AG dann ihre neue „Digitalisierungsoffensive“ vor (philatelie 514 – April 2020). Dabei ging es ebenfalls um neue Briefmarken mit Datamatrixcode. Auch auf der wenige Tage später stattfindenden Bilanzpressekonferenz (10. März) wurde die verschiedenen Teilbereiche der Digitalisierungsoffensive erneut der Presse vorgestellt.
Der Autor hat dort am Infostand der Briefmarke mit Matrixcode auch die Stempelproblematik angesprochen. Dabei wurde dort eindeutig gesagt, das eine Stempelung der Marken mit Matrixcode weiterhin stattfinden soll, das die schwarze Farbe dafür aber nicht sehr gut geeignet ist. Daher lautetet schon damals das Motto „Die schwarze Stempelfarbe ist tot, es lebe die blaue oder rote Farbe“.
Am 9. Oktober 2020 erfolgte nun bezüglich der Stempelfarbe eine neue Presseankündigung, das ab dem 16. November für einen Zeitraum von vier Wochen eine blaue Farbe in drei verschiedenen Briefzentren getestet werden soll.
Diese Pressemitteilung erfolgte in sammlerfreundlicher Weise rechtzeitig für die Zeitschriften, sodass diese überall vorher kommuniziert werden konnte, auch hier in der DBZ. Sammlerpost war ausdrücklich zum Test zugelassen. In diesem Artikel wird nun über die ersten Wochen des Versuchs und die Vorgeschichte der blauen Farbe berichtet.
Geschichte
Blaue Stempelfarbe wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder von der Post genutzt. Daher ist eine kurze geschichtliche Betrachtung der Nutzung der blauen Stempelfarbe nach 1945 bis heute als Rückblick und Einstieg eine gute Ergänzung. Aufgetaucht ist die blaue Stempelfarbe nach 1945 erstmals in der DDR bei Absenderfreistempeln.
Zwar war für diese laut Weltpostvertrag die rote Farbe vorgesehen, aber vom 15. August 1954 bis zum 15. Mai 1960 war in der DDR die blaue Stempelfarbe für Absenderfreistempel vorgeschrieben. Hier sind natürlich auch entsprechende Übergänge von rot auf blau und zum Ende von blau auf rot bekannt. Nachverwendungen sollen bis 1961 gefunden worden sein.
Auf der CeBit 2000 in Hannover tauchten von der Firma Melex erste Muster mit blauer Stempelfarbe für ihre Absenderfreistempel auf.
Hintergrund war, das die Deutsche Post AG zur besseren Lesbarkeit der Absenderfreistempelabdrucke eine andere Farbe wollte. Die schwarze Farbe bot zwar eine sehr gute Lesbarkeit, hier bestand aber die Angst, das diese durch moderne Drucksysteme leichter gefälscht werden könnte. Daher wollte man lieber eine blaue Farbe nutzen.
Gleichzeitig tauchten damals die ersten Musterabdrucke mit einem neuen Sicherheitselement auf, dem Datamatrixcode (das heutige Frankit).
Mit einer Presseerklärung vom 5. September 2000 wurde die Umstellung der Absenderfreistempelmaschinen auf die blaue Farbe angekündigt. Geplant war damals, das die Umstellung bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossen sein sollte. Diese Umstellung wurde aber in der Praxis aus Angst vor verärgerten Kunden nicht sehr zielstrebig umgesetzt und es gab immer wieder neue Schonfristen für die Kunden. Zwar hatten dann einige Jahre später die meisten Kunden auf blau umgestellt, wenn aber mal ein Kunde scheinbar aus Versehen noch die rote Farbe genutzt hatte, wurde diese Frankatur trotzdem nicht beanstandet.
In der Übergangszeit gab es viele Mischformen, die teils herstellerbedingt zu ungewöhnlichen Kuriositäten führten, wie Datum und Wertangabe rot, der Rest blau (Telefrank).
Die Umstellung für Absenderfreistempelmaschinen auf die blaue Farbe bei der Deutschen Post AG führte schrittweise auch bei vielen anderen Ländern dazu, das dort vermehrt die blaue Farbe genutzt wurde.
Dies konnte man auch bei der sich neu etablierenden Privatpost beobachten. Hier wurden die entsprechenden Freimachungsvermerke nun statt in roter Farbe in blauer Farbe aufgedruckt.
Diese Systeme wurden damals und heute auch zur Entwertung der vorhandenen Briefmarken dieser Privatpostfirmen genutzt. Man findet hier also schon sehr lange auf Tintenstrahlbasis umgerüstete Absenderfreistempelmaschinen, die die Privatpostmarken mittels blauer Tinte entwerteten.
Die Entwertung mit blauer Tinte ist in Deutschland also keine Überraschung mehr. Bei der Deutschen Post AG gibt es weiter seit 2000 den Frankierservice. Er ist der Nachfolger der früheren Postfreistempelung, die in roter Farbe erfolgte. Im Rahmen der Umstellung auf den Frankierservice wurde damals auf die schwarze Farbe gesetzt, aber schon 1999 tauchten für spezielle Großkunden zweifarbige Entwertungen in Blau und Rot auf.
Da im Bereich Frankierservice immer öfters bei der Post speziell umgerüstete Absenderfreistempelmaschinen im Einsatz waren, war es kein Wunder das hier gelegentlich mal unbeabsichtigt auch blaue Tinte zum Einsatz kam.
Im Rahmen der Neuausrichtung des Frankierservice im Jahr 2012, weg von vielen verschiedenen Maschinen unterschiedlicher Hersteller mit unterschiedlicher Technik und Wartungsproblematik, hin zu einer „Standardmaschine“ in allen Briefzentren entschied sich die Deutsche Post für Maschinen der Firma Neopost. Diese Maschinen IS-5000/IS-6000 stempelten allerdings nicht mehr schwarz sondern blau. Einzige Ausnahme beim Fankierservice sind Belege, die über die großen Stempelmaschinen AM 990/91 in schwarz laufen sowie entsprechende Handrollstempel in schwarzer Farbe.
Der Versuch
In der Pressemitteilung vom 9. Oktober 2020 ist etwas unpräzise von einer neuen blauen Entwerte-Tinte die Rede. Dabei wird als ein Versuchsstandort das Briefzentrum 95 in Bayreuth genannt. Dort sollen für Druckstempel für Standard- und Kompaktbriefe entsprechende Tests stattfinden. Gemeint ist damit aber die dortige große Stempelmaschine von AEG (heute Siemens) AM 990/91, bei der eine ölhaltige blaue Stempelfarbe für Metallstempel getestet wird. Diese Farbe stammt von der Firma Noris aus der Nähe des BZ 95 aus Kulmbach.
Diese Stempelfarbe kann man natürlich auch für alle anderen im Briefzentrum befindlichen Handstempel, Hammerstempel oder Handrollstempel einsetzen. Nutzbar wäre diese Farbe auch für Sonderstempel mit Metallklischee und die Tagesstempel an den Postschaltern. Für Sonderstempel mit Gummiplatten wird eine andere schnelltrocknende Stempelfarbe benötigt, die bisher nicht offiziell getestet wird. Intern haben aber hier bestimmt vorher schon verschiedene Versuche mit interner Spielpost stattgefunden, um die eine oder andere Vorauswahl zu treffen. Interessant wird nun sein, welche Kriterien für die neue Farbe am wichtigsten sind. Vermutlich an oberster Stelle wird die Frage stehen, kann man den Matrixcode zukünftiger Briefmarken trotz Stempelung eindeutig auslesen. Weiter wird die Frage im Raum stehen, ob die Stempelfarbe chemisch entfernbar ist oder ob sie dokumentenecht ist. Hier gibt es ja bekannter maßen etliche Probleme mit „gewaschenen Briefmarken“ aus Osteuropa, bei denen die Tintenstrahlentwertung teils chemisch in sehr guter Qualität entfernt wurde.
Die in Bayreuth getestete Farbe hinterlässt einen positiven Eindruck. Sie scheint etwas violettstichig zu sein. Die Maschine kann allerdings nur die im Bereich der Frankierzone befindlichen Marken entwerten. Die dortige Stempelmaschine besitzt zwei Stempelköpfe mit gleichen Unterscheidungsbuchstaben „ma“. Beide wurden auf blau umgestellt und hatten am ersten Tag das selbe Werbeklischee „Opernhaus Bayreuth“ im Einsatz. Fälschungen zum Schaden der Post wurden unbeanstandet mit der neuen Farbe entwertet und befördert.
Im Briefzentrum 58 in Hagen wird eine blaue Tinte für die dortige Großbriefsortieranlage (GSA Neu) und deren Tintenstrahlmodule für maschinenfähige Groß- und Maxibriefe getestet. Hersteller dieser Tinte ist die Firma Bowajet aus der Nähe aus Wuppertal. Letzttag für die schwarze Tintenstrahlentwertung dort war Freitag der 13. November. Am Wochenende wird in diesem Briefzentrum nicht gearbeitet.
Am Montag den 16. November wurden nun erstmalig die maschinenfähigen Groß- und Maxibriefe mittels blauer Tinte entwertet. Die Tinte hinterläßt einen guten ersten Eindruck. Sie hat eine kräftige blaue Farbtönung. Die Stempelung erfolgt gezielt auf die Marken, egal wo sie auf dem Brief kleben, dies hat auch bei allen Testbelegen sehr gut funktioniert. Im jeweiligen Bereich werden diese durch eine Frankierwelle mit einem darunter befindlichen Posthorn und weiteren Detailangaben daneben entwertet. Diese Detailangaben enthalten den Unterscheidungsbuchstaben (hier „ma“), das Datum und die Uhrzeit sowie darunter die Angabe „Briefzentrum 58“. Im Randbereich wird durch das Clipingverfahren elektronisch ein Teil des Stempels „weggeschnitten“.
Es gab nur eine Ausnahme, bei einer Ganzsache mit Doppelnominale erfolgte die Entwertung neben der Marke im Bereich des Sicherheitsbalkens, die Marke selbst wurde nicht getroffen, aber dann mit einem Kugelschreiberkreuz im BZ 58 entwertet.
Eine weitere Ausnahme scheint es bei Fälschungen zum Schaden der Post zu geben. Diese werden scheinbar nicht gestempelt, diese Testsendungen wurden aber anstandslos weiter befördert oder teils per Handstempel entwertet ohne die Fälschungen als solche zu kennzeichnen oder mit Nachentgelt zu belegen.
Am dritten Versuchsstandort im Briefzentrum 60 in Frankfurt wird wie im BZ 95 auch Standard- und Kompaktbriefe und deren Entwertung getestet. Allerdings läuft hier schon seit dem Spätherbst 2017 ein Versuch, die große und in die Jahre gekommene Standard- und Kompaktbriefstempelmaschine AM 990/91 durch eine Tintenstrahlentwertung abzulösen, die in einer Sortiermaschine für Standard- und Kompaktbriefe eingebaut ist (philatelie 508 – Oktober 2019). Dieser dortige Versuch wurde auch auf das BZ 46 in Duisburg und später auch noch auf das BZ 21 (Hamburg) und BZ 99 (Erfurt) ausgeweitet, wo dieser Versuch auch heute noch läuft. Im BZ 97 in Würzburg wurde alles nur wenige Tage oder Wochen getestet, dann aber wieder eingestellt.
Im BZ 60 in Frankfurt sind seit einiger Zeit sogar zwei Anlagen diesbezüglich vorhanden. Ein davon mit dem Unterscheidungsbuchstaben „md“ wurde nun auf blaue Farbe umgerüstet. Der Unterschied zu den Tintenstrahldruckmodulen der GSA Neu liegt an einem anderen Hersteller und Lieferanten des Druckmoduls (Postjet Systems Ltd – eine Tochter der Domino Gruppe, die ihren Hauptsitz in Deutschland in der Nähe des BZ 60 in Mainz Kastel hat). Dieser liefert hier auch die entsprechende Tinte. Daher hat diese auch eine deutlich andere Farbtönung, als die im BZ 58 in Hagen eingesetzte Tinte. Die Tinte in Frankfurt macht einen blassen schwach bläulichen Eindruck. Prinzipiell sollte ja die Frankierung immer rechts oben erfolgen. Da dies aus vielfältigen Gründen nicht immer so eingehalten wird, werden in diesen Fällen nicht alle Marken entwertet. Deshalb wurde nun im Rahmen dieses Versuches eine Erweiterung der Stempelmöglichkeiten nach links über die ganze obere Breite integriert. Im Rahmen der Möglichkeit, den Ersttag der blauen Farbe zu dokumentieren wurde auch diese Option untersucht.
Dabei stellte sich heraus, das dies scheinbar nicht immer oder noch nicht immer so optimal und richtig funktioniert, wie von der Post gewünscht. Bei einem Teil der Testbriefe wurden nicht alle Marken entwertet. Außerdem gab es scheinbar beim ersten Testlauf um 16 Uhr noch einige Probleme.
Es gibt auch viele Sammlerbelege, die erst um 17 Uhr gestempelt wurden. Nachweisbar ist dies an einem Beleg der Arge Briefpostautomation e.V., der mindestens zweimal versuchsweise durch die Stempelung gelaufen ist – einmal um 16 Uhr (nur erkennbar an einem Stempelrest ganz links auf der Sendung) und ein zweites Mal zum 17 Uhr auf der rechten Seite. Weshalb nahezu identisch frankierte Belege einmal komplett entwertet wurden und einmal nur teilweise entzieht sich bisher der Erkenntnis des Autors.
Das System ist scheinbar noch nicht in der Lage Fälschungen zum Schaden der Post zu erkennen, den diese wurden normal gestempelt und anstandslos weiter befördert.
Im Briefzentrum Frankfurt gibt es also derzeit drei verschiedene Varianten, wie Standardbriefe gestempelt werden können, in schwarz mittels einer richtigen Stempelmaschine oder in schwarz mittels Tintenstrahlentwertung oder versuchsweise in blau mittels Tintenstrahlentwertung.
Resümee:
Ziel des Tests ist laut Pressemitteilung, eine weitere Optimierung in den Bereichen Lesbarkeit und Entwertungsverfahren. Dabei dürfte die Post darunter aber nicht verstehen, das die Stempel besser auf der Briefmarke für Sammler erkennbar sind. Es geht vielmehr um die möglichst exakte Lesbarkeit des Datamatrixcodes zukünftiger Briefmarken und wie diese am besten entwertet werden können. Je nach Motiv wird die Lesbarkeit natürlich ihre Schwächen haben, dies war und ist ja auch bisher schon bei der schwarzen Farbe so.
Da laut vielen verschiedenen weiteren Teilinformationen von Herstellern und aus den Briefzentren schon entsprechende Vorbereitungen für eine deutschlandweite Einführung der blauen Farbe laufen, geht der Autor davon aus, das vermutlich schon im ersten Quartal 2021 eine Farbumstellung erfolgen könnte.
Offen scheint dabei bisher noch, ob diese Umstellung auch bei Sonderstempeln und den Postschaltern erfolgt, aber auch hier dürfte alles sehr zügig von statten gehen. Aufgrund dieser ergänzenden Informationen geht der Autor davon aus, das bei den drei Versuchsstandorten nach Ablauf der vier Wochen keine erneute Änderung auf die schwarze Farbe erfolgen wird, sondern das an diesen Stellen auch danach weiter diejenige Post, die über diese drei Maschinen läuft in blau gestempelt werden dürfte. Der letzte Tag der schwarzen Stempelfarbe bei der GSA Neu im Briefzentrum 58 in Hagen dürfte daher am Freitag den 13. November 2020 gewesen sein. Gleiches dürfte für das Briefzentrum 95 in Bayreuth für die Maschinenstempel zutreffen. In Briefzentrum 60 in Frankfurt dürfte es aufgrund der Größe des BZ sowohl blaue als auch schwarze Stempel geben.
Das Jahr 2021 wird also in vielfacher Hinsicht philatelistisch und postgeschichtlich interessant werden, es kommt eine neue Stempelfarbe und es kommen neue Briefmarken mit Datamatrixcode. Es gibt hier also viele Möglichkeiten, Neues zu sammeln und für die Postgeschichte zu dokumentieren. Wer hier an weiteren Informationen interessiert ist, ist bei der Arbeitsgemeinschaft Briefpostautomation e.V. gut aufgehoben. Ansprechpartner finden sie über die Webseite der Arge „www.arge-briefpostautomation.de“.