Der stille Tod der Versendungsform Electroreturn
(erscheint in der Zeitschrift philatelie 507 - September 2019 - Vorabveröffentlichung)
In der philatelie 360 – Juniausgabe 2007 - hatte der Autor die neue Versendungsform „Electroreturn“ vorgestellt. Diese wurde ab dem 1. Mai 2005 zuerst in einem Pilotbetrieb getestet und zum 1. Juli 2007
in den Regelbetrieb überführt. Zum 1. Juli 2010 wurde das Produkt mehrwertsteuerpflichtig. In einer Pressemitteilung vom 28. Mai 2015 wurde das 10-jährige Jubiläum dieser Versendungsart noch groß gefeiert. Aber knapp dreieinhalb Jahre später wurde diese Versandart nach noch nicht einmal 14 Jahren still und heimlich abgeschafft.
Dies ist in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten. Mit großen Aufwand werden neue Versendungsformen vorgestellt und eingeführt, aber teils schon nach wenigen Monaten oder Jahren still und heimlich beerdigt. Einige Beispiele sind der Warenbrief International, Stampit, der Zustellnachweis oder der Altersnachweis.Selbst altgediente jahrzehntelange erfolgreiche Versendungsformen wie die Warensendung werden nun zur „BÜWA“ umgetauft und umgestaltet. Bevor das interessante Produkt Electroreturn in der Versenkung verschwindet, möchte der Autor dieses nun abgeschlossene Sammelgebiet zusammenfassend für die Zukunft festhalten.
Die Historie
Grundlage für die Einführung dieser neuen Versendungsform Eletroreturn war das am 22. März 2005 in Kraft getretene Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten. Zielgruppe waren dabei keine großen Geräte, sondern eher die Kleingeräte wie Handys, die in einen Umschlag passen würden, maximal ein Kilo wiegen und die Höchstmaße für Inlandssendungen nicht überschreiten. Der erste Pilotkunde ab dem 1. Mai 2005 war daher T-Mobile, bei dem alles getestet wurde. Dazu musste T-Mobile einen Vertrag mit der Post schließen. Die Einlieferung der Ware (des alten Handys) erfolgte in einer mit dem Produktnamen gekennzeichneten Versandtasche. Die Versandtasche wurden vom Hersteller bereit gestellt. Diese durfte die folgenden Höchstmaße 353 mm x 300 mm x 50 mm (Länge, Breite, Höhe - Maxibrief) nicht überschreiten und musste mindestens 100 x 70 mm lang beziehungsweise breit sein. Die Versandtasche wurde nach Gestaltungs- und Beschaffungsvorgaben der Deutschen Post produziert. Sie sollte „maschinenfähig“ sein (also gegebenenfalls eine Bearbeitung in der Maxibriefsortieranlage (MSA) heil überstehen) und durfte ausschließlich Elektro- und Elektronik-Altgeräte enthalten. Briefliche Mitteilungen, Rechnungen, Lieferscheine oder sonstige Beilagen waren nicht zulässig. In der Anschrift war eine Großkunden-PLZ oder eine Aktions-PLZ zu verwenden.
Die Sendungen selbst wurden über den BWI-Strom (Bücher- und Warensendungsstrom) bearbeitet und befördert, es war keine E+1 Bearbeitung vorgesehen. Besonders zu beachten war hier, dass keine NLP-Beförderung erfolgte, da die enthaltenen Akkus ein Gefahrgut darstellten, dass nicht auf dem Luftweg befördert werden durfte. Der Versand war für den Endverbraucher kostenlos. Die Einlieferung konnte in jeden Briefkasten oder jeder Postfiliale erfolgen. Eine Stempelung von über Briefkasten eingelieferten Sendungen erfolgte nicht. Die Versandkosten übernahm - analog zur Werbeantwort oder zur Fotopost - der Hersteller. Nachentgelt wurde demgemäß nicht auszuweisen. In einer Freimachungszone wurde die Versandtasche zudem mit einem 2D-Matrixcode gekennzeichnet.
Ab dem 1. Januar 2006 wurde dieser Versuch auf alle Handyhersteller erweitert und gleichzeitig bis zum 30. Juni 2007 verlängert. Aufgrund der erfolgreichen Nutzung wurde die Versendungsform „Electroreturn“ zum 1. Juli 2007 offiziell eingeführt. Für dieses spezielle Produkt existierte auch eine spezielle Broschüre der Deutschen Post mit der Materialnummer 675-601-088. Im Rahmen einer Sammlung von Versendungsformen mit 2D-Barcode sollte diese auf alle Fälle nicht fehlen.
Ab dem 1. Juli 2010 wurde das Produkt mehrwertsteuerpflichtig. Dies führte zu einigen Änderungen. Statt das der Hersteller geprüfte und zertifizierte Versandtaschen anbot, konnte der Kunde nun über mehr oder weniger schnell auffindbare Links sich ein entsprechendes Etikett zusammen mit der Gebrauchsanweisung selbst ausdrucken und kostenlos abschicken. Der Empfänger musste dann je Sendung ein Euro entrichten. Es gab ab diesem Zeitpunkt viel mehr Anbieter, die solche Adressetiketten zum Selbstdrucken in schwarz weiß oder falls man einen Farbdrucker hat, natürlich in Farbe zum Ausdruck (oft als Pdf-Datei) anboten.
Ungefähr im Herbst 2010 tauchten dann die ersten Umschläge auf, die sogar international zugelassen waren. Eine damalige Recherche bei der Firma TRF (The Recycling Factory) ergab, das man speziell im deutschsprachigen Raum (Österreich, Schweiz) auch Electroreturn testen wollte. So entstand hier die Produktvariante „Electroreturn International“. Dazu wurde die Inlandsversendungsform mit einem zusätzlichen Freimachungsvermerk „Werbeantwort International (CCRI)“, kombiniert. Zusätzlich wählte das Unternehmen noch die Option GoGreen, dieser Vermerk war aber auf der Rückseite der Tüten angebracht. Aufgrund der hohen Kosten (2,45 Euro je Umschlag für Europa – laut Angabe der Firma TRF) wurde der Test vorläufig aus Kostengründen eingestellt.
Diese internationale Variante hatten aber nachweislich mindestens zwei weitere Firmen genutzt (Pelikan und Otto Office), wie entsprechende Umschläge belegen.
Im Februar 2012 wurde in entsprechenden Pressemitteilungen der Deutschen Post und der ALBA Group groß eine exklusive Partnerschaft bezüglich des Produktes Electroreturn angekündigt. Dies machte sich auch in entsprechenden Adressetiketten bemerkbar, die als Pdf-Datei sowohl von der Postwebseite als auch von der Firmenwebseite von Alba Group heruntergeladen werden konnten. In einer weiteren Pressemitteilung vom 28. Mai 2015 wurde stolz das 10-jährige Jubiläum der Versandlösung Electroreturn gefeiert. Insgesamt sollten zu diesem Zeitpunkt 2,3 Millionen Mobiltelefone und 1,2 Millionen Tintenpatronen fachgerecht über diesen Service entsorgt und recycelt worden sein. Weiter wurde dort vermerkt, das alleine durch das Recycling der Handys 100.000 Kilogramm Treibhausgase (CO2) eingespart worden wären. Die Deutsche Post hatte diesbezüglich sogar einen eigenen Blog zu diesem Thema im Internet. In einer leider nicht mehr datierbaren Pdf-Datei aus dem Internet von der Deutschen Post, was alles Electroreturn ist, werden hier angefangen von einem Adapter bis zu einer Zahnzwischenraumreiniger (elektrisch) insgesamt 59 verschiedene Produkte gelistet, die in einen Maxibrief passen könnten, wenn Sie die Höchstmaße von 35 x 25 x 5 Zentimeter nicht überschreiten würden.
In der Regel wurden aber vor allem alte Handys und Tintenkartuschen mit dieser Versendungsform verschickt. Im Jahr 2016 wurde alles sogar noch durch ein spezielles Angebot von DHL erweitert (DHL-Retoure), man konnte nun auch größere Electrogeräte bis 31,5 Kilo an die Alba Group zurück schicken. Daher kommt es doch sehr überraschend, das ohne Nennung von Gründen, ein so umweltfreundliches Versandprodukt scheinbar zum 1. Januar 2019 eingestellt wurde.
Ob dies an einer weiteren Gesetzesänderung liegt, die ab dem 15. August 2018 in Kraft getreten ist, kann der Autor aber nicht sagen. In dem zitierten Gesetz (ElektroG) wurden unter anderem die bisherigen sechs Gerätekategorien in zehn neue Gruppen eingeteilt. In einer Übergangsphase können aber derzeit noch vorhandene Tüten oder Adressaufkleber Electroreturn aufgebraucht werden.
Philatelistische Spuren
Hier war lange Zeit nur die Art des Freimachungsvermerks bekannt. Im Laufe der Zeit tauchten dann anfangs verstärkt Orginalversandtaschen auf. Eine der ersten Versandtaschen für Elektroreturn stammen von Talkgreener und wurden scheinbar schwerpunktmäßig per Postwurfsendung an Schließfachbesitzer verteilt. Diese Versandtasche ist besonders dekorativ und wird deshalb auch ganz abgebildet. Sie besteht aus einem sehr stabilen Papierumschlag .
Viele bekannten Versandtaschen von T-Mobile oder beispielsweise e-Plus sind aus Kunststoff. Echt gelaufen dürften diese Taschen nicht auftauchen, sie wären aber auch nicht groß erkennbar, da keine Stempelung oder sichtbare Kodierung auf dem Transportweg erfolgen soll.
Im Laufe der Jahre hat sich der Freimachungsvermerk auch geändert. Die ersten Freimachungsvermerke bestanden aus einem Datamatrixcode mit 32 x 32 Elementen. Rechts davon steht in der ersten Zeile Deutsche Post und das Posthorn, es folgt der Produktname in der nächsten Zeile. Die folgende Zeile besteht aus einer 10-stelligen Zahl, die vermutlich die Kundennummer der Auftraggebers war. Dies kann man daraus schließen, das beispielsweise von T-Mobile verschiedene Umschläge nach Koblenz oder München die selbe 10-stellige Nummer aufweisen. Was die letzte Zahl darunter für eine Bewandnis hat, ist derzeit nicht bekannt.
Bedingt durch die Einführung der Internetmarke im Jahr 2008 (philatelie 374 – August 2008) wurde nun der sogenannte „Postmatrixcode“ der neue Standard. Dieser unterscheidet sich durch zwei dicke schwarze senkrechte Balken an der linken Seite des Datamatrixcodes. Die Matrix hat hier eine Größe von 26 x 26 Elementen.
Als Folge davon, wurden schrittweise viele Versendungsformen, die einen Datamatrixcode nutzten, auf diesen Postdatamatrixcode umgestellt. Dies betraf auch die Umschläge der Versendungsform Electroreturn. Die Mehrzahl der heute existierenden Electroretunrumschläge besitzt einen Postdatamatrixcode, teils kombiniert mit GoGreen Vermerk. Gleichzeitig hat sich der Aufbau des Freimachungsvermerkes etwas geändert. Über dem Postdatamatrixcode und dem Klarschriftteil steht nun zuerst Deutsche Post und das Posthorn. Links befindet sich der Postmatrixcode, rechts oben bündig steht nun der Produktname.Nach einer Leerzeile erfolgen zwei 10-stellige Zahlenblöcke. Die obere Zahl scheint weiter die bisherige Kundennummer zu sein, allerdings mit der Änderung, das am Anfang 01 davor gesetzt wurde und am Ende zwei Ziffern der kompletten Kundennummer weggelassen wurden.
Zwei Freimachungsvermerke fallen hier allerdings aus dieser Reihe, bisher nur einmal ist ein Vermerk mit Monats- und Jahresangabe bekannt, ein weiteres Mal fehlt die entsprechende Kennung.
Ungewöhnlich ist auch ein Umschlag des NABU (Naturschutzbund) bei dem unter den Freimachungsvermerk noch der Zusatz „Porto bezahlt Empfänger“ steht.
Aufgrund einer Änderung der Geschäftsbeziehungen des NABU mit dem verantwortlichen Entsorger, gibt es hier sogar Umschläge die mit Aufkleber mit geänderten Freimachungsvermerk für diese neue Kooperation noch aufgebraucht werden sollten.
Bezüglich der internen Bearbeitung der Electroreturnumschläge existiert weiterhin zumindest ein bekannter Infoträger, der auf die interne Handhabung ansatzweise hinweist.
Wer kennt oder hat weitere Besonderheiten dieser Versendungsform ?
Resümee:
Es ist schade, das ein so nützliches Produkt still und heimlich abgeschafft wurde, ohne eine sinnvolle Begründung der Deutschen Post. Die Versendungsform Electroreturn eignet sich gut für ein Einrahmenobjekt. Allerdings dürfte es nun schwierig sein, nachträglich noch entsprechende Spuren wie die ausdruckbaren Adressetiketten zu finden. Vereinzelt sind diese derzeit als herunterladbare Pdf-Dateien noch im Internet vorhanden oder es taucht auch mal eine nicht benutzte Versandtüte auf. Bezüglich weiterer Spuren, wie Infoträgern oder der internationalen Variante wird es natürlich schon viel schwieriger, so etwas noch zu finden. Bei der Firma Pelikan lassen sich sogar verschiedene Druckauflagen mit etwas unterschiedlichen Layout festhalten. Interessant zur Ergänzung sind natürlich auch die entsprechenden Versandumschläge von Firmen (beispielsweise Pelikan oder TRF), bevor diese Versendungsform eingeführt wurde. Vielleicht hat ja der eine oder andere Sammler im Bereich der Briefpostautomation den einen oder anderen interessanten Beleg diesbezüglich aufgehoben.
Nachweisbar ist sogar mindestens eine Versandtasche für Handyrecycling (also Electroreturn) von der Pin AG, einem Privatpostunternehmen.
Vielleicht haben hier ja auch andere Privatpostdienstleister solche Versandtüten angeboten. Man kann also eventuell doch noch einen interessanten Fund zu diesem Thema machen, viel Spaß beim Suchen und Finden. Bedanken möchte sich der Autor zum Schluß auch noch einmal bei der einen oder anderen Firma, die im Laufe der Jahre befragt wurden und die teilweise auch echt gelaufene Umschläge für Abbildungszwecke zur Verfügung gestellt haben.