Aufdruckfälschungen bei ATM – ein aktueller Postbetrugskrimi
(erscheint in der Zeitschrift philatelie 519 - September 2020 - Vorabveröffentlichung)
Bezüglich der deutschen Automatenmarken (ATM) gab und gibt es immer wieder nicht nur Fälschungen zum Schaden der Sammler sondern auch Fälschungen zum Schaden der Post. Hier wurden aber in der Regel nur Aufdruckfälschungen in kleinen aber auch großen Stil vorgenommen.
Dazu erreichte den Autor von dem Briefmarkensammler Herrn Walter L. aus Saarbrücken Ende November 2018 eine erste Information zu einem Gerichtsverfahren vor dem dortigen Amtsgericht Saarbrücken bezüglich einer Urkundenfälschung gegen den Saarbrücker Thorsten Michael V. am Montag, den 3. Dezember 2018. Er soll in große Stil Aufdruckfälschungen bei ATM im Jahr 2017 vorgenommen und diese gefälschten Marken für seinen Onlineversandhandel mit Batterien als Frankatur genutzt haben. Der erste Termin war schon nach einer halben Stunde nach einer Vernehmung von zwei der drei geladenen Zeugen beendet. Dabei stellte sich heraus, das der Beschuldigte in der Zwischenzeit erneut gefälschte Briefmarken für seinen Versandhandel genutzt haben soll (naßklebende Marken Stadtbahn Stuttgart à 145 Cent und Fuchsie à 400 Cent) und das diesbezüglich eine weitere Strafanzeige der Post existiert.
Daher sollten erst einmal weitere Ermittlungen erfolgen. Die 640 schon beschlagnahmten Auslands-Einschreibsendungen beziehungsweise Eil-Internatioalsendungen sollten stichprobenartig auf Fingerabdrücke des Angeklagten untersucht werden.
Am 2. April 2020 wurde nach langer Zeit der Funkstille endlich eine weitere Verhandlung angesetzt. Diese wurde aber wegen der gerade begonnen strikten Coronabeschränkungen erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Da sich, wie allgemein bekannt, die Coronasituation in Deutschland wieder entspannte, wurde nun für den Montag den 22. Juni erneut die zweite Sitzung einberufen. Hierzu wurden insgesamt fünf verschiedene Zeugen geladen und befragt. Nach zwei Stunden wurde der dritte und abschließende Verhandlungstermin auf Mittwoch den 8. Juli 2020 festgesetzt. Der Autor war an diesem Tag als Zuschauer vor Ort und konnte so die restliche Verhandlung und die abschließende Beweisaufnahme sowie das Schlussplädoyer der Staatsanwältin, des Anwalts des Beklagten und den anschließenden Richterspruch der Richterin mit ausführlicher Urteilsbegründung life verfolgen und alles für die Leser der philatelie stichpunktartig festhalten.
Dieses Verfahren liefert interessante Erkenntnisse über das Vorgehen bei Gerichtsverfahren mit Fälschungen zum Schaden der Post und zeigt dessen Schwachstellen. Dazu wird der Autor im Resümee entsprechende Fakten der jetzigen Vorgehensweise ansprechen, die es ermöglichen, das Betrüger auf diesem Sektor nicht viel oder gar nichts zu befürchten haben.
Aufdruckfälschungen bei ATM
Wie fast jedem Briefmarkensammler bekannt ist, wird, der Wertaufdruck der Automatenmarken erst im Automat selbst nach entsprechender Kundenvorgabe getätigt. Anfangs gab es bei den ersten Automaten der Deutschen Post hier feste Typenräder (so wie bei einer klassischen Schreibmaschine), vor denen ein spezielles Farbband vorbeilief. Später wurden alle Münzwertzeichendrucker auf ein Nadeldruckersystem umgestellt, das heute auch noch in den aktuellen Sielaffautomaten im Einsatz ist. Ein Schwachpunkt bei diesen Verfahren war schon immer, das das entsprechende Vordruckpapier postintern zwar sorgfältig verwaltet und dokumentiert werden sollte, dies aber in der Praxis nicht immer umgesetzt wurde. So wurden immer mal wieder mehr oder weniger große blanko (Teil)-Vordruckrollen selbst in bekannten Fachzeitungen zum Verkauf angeboten. Es ist also auch heute noch nicht so schwierig, hier mal eine Teilrolle oder sogar eine komplette blanko Vordruckrolle zu erhalten. Diese wurden dann teils dazu genutzt, um angebliche Fehldrucke zum Schaden der Sammler in deutschen oder ausländischen Druckern herzustellen (z.B. kopfstehende Gummidrucke), sie wurden aber auch für Aufdruckfälschungen zum Schaden der Post genutzt. Beispielsweise wurden dazu im größeren Stil 1100 Pfennig Wertaufdrucke hergestellt, um damit Postzustellungsaufträge zu frankieren.
Diese Schwachstelle hat der obige Beschuldigte nun ausgenutzt und sich mehrere blanko Vordruckrollen mit dem Motiv Brandenburger Tor und Post Tower besorgt und diese selbst im großen Stil mit einem passenden Wertaufdruck für seinen Versandhandel zu versehen.
Die zweite Hauptverhandlung
Geladen wurden zu dieser Hauptverhandlung folgende fünf Zeugen, eine Postmitarbeiterin der Konzernsicherheit von der Niederlassung Saarbrücken (BZ 66), ein Postmitarbeiter vom IPZ 1, der diese Fälschungen entdeckt hatte, der zuständige Kriminalkommisar für die Bearbeitung und Hausdurchsuchung, ein IT-Forensiker der Kriminalpolizei und ein Gutachter von der Polizei für Fingerabdrücke.
Außerdem waren noch einige Zuschauer anwesend, unter anderen, wie sich später zeigen sollte, eventuell die Söhne des Beschuldigten oder gute Bekannte oder sogar Mittäter des Beschuldigten.
Nach der Eröffnung und Belehrung der Zeugen mussten diese den Saal verlassen und wurden nun in der gelisteten Reihenfolge zur Aussage in den Saal gerufen. Die ersten beiden Zeugen hatten schon in der ersten Verhandlung ausgesagt. Aufgrund des langen Abstands der ersten Verhandlung von fast eineinhalb Jahren und bedingt durch einen Wechsel des Staatsanwaltes, jetzt eine Staatsanwältin wurde in der zweiten Hauptverhandlung noch einmal von vorne begonnen. Jeder Zeuge musste erst einmal Angaben zur Person machen und es wurde geklärt ob er mit dem Beschuldigten verwandt sein könnte. Da bezüglich des Betrugs mit Briefmarken zum Schaden der Post leider von einem Tatortprinzip ausgegangen wird, vorausgesetzt man kann überhaupt einen Verkäufer oder Hersteller von gefälschten oder wie hier von verfälschten Briefmarken feststellen, wurde die Strafanzeige von der zuständigen Postmitarbeiterin der Konzernsicherheit von der Niederlassung Saarbrücken gestellt, wo der beschuldigte wohnt. Aus diesem Grunde erfolgte auch die Ermittlung und die Klage vor dem Amtsgericht Saarbrücken, wo der beschuldigte wohnt.
Für alle Beteiligten war dies das erste Mal, das Sie sich mit so einer Sachlage beschäftigen mussten. Nach der Zeugenvernehmung der Mitarbeiterin von der Konzernsicherheit aus Saarbrücken, wird diese aus dem Zeugenstand entlassen und kann nun gehen oder als Zuschauer weiter der folgenden Verhandlung folgen. Als zweiter Zeuge wurde der Mitarbeiter der Deutschen Post Herr Jürgen O. vom IPZ 1 in den Saal gerufen. Er wurde von der Richterin und der Staatsanwältin befragt, wie er diese Tat entdeckt hatte. Hier schilderte der Zeuge, das jede Nacht circa 100 bis 150 Sendungen (Einschreiben-International und Eil-Internationalsendungen) aus dem Briefzentrum 66 auftauchten, die mit überfrankierten ATM teils mit 805 Cent, teils mit 855 Cent frankiert waren. Das tatsächliche Porto hätte hier 2017 nur 620 Cent (370 + 250) bzw. 820 Cent (370 + 450) betragen. Alle Sendungen waren immer deutlich überfrankiert.
Bei einem unwissenden Postkunden kommt so etwas mal vor, aber das ein Online-Versandhandel systematisch seine Sendungen überfrankiert, hat der Postmitarbeiter noch nie gesehen. Weiter war sehr auffällig, das diese Wertaufdrucke über mehrere Wochen / Monate immer mit gleich guter Farbbandintensität gedruckt waren. Dies ist bei ATM nicht realistisch, denn wenn man über einen längeren Zeitraum ATM kauft, so haben diese mehr oder weniger stark schwankende fette oder schwächere oder sogar schwache Wertaufdrucke. Aus diesem Grunde untersuchte der Mitarbeiter, der auch schon lange Briefmarken sammelte, diese doch merkwürdig erscheinenden ATM mit dem Motiv Brandenburger Tor und Post Tower genauer. Ein Vergleich mit anderen selbst gezogenen Marken aus dem Münzwertzeichendrucker führte zu dem Verdacht, das einige der Ziffern minimale Unterschiede aufweisen, also das es sich hier um Aufdruckfälschungen handeln könnte.
Er äußerte diesen Verdacht seiner vorgesetzten Fachseite, die einige der Marken in Darmstadt bei der ZUST (Zentrale kriminaltechnische Untersuchungstelle) der Post prüfen lies. Dort sitzen zwei Gutachter, die Fälschungen oder Verfälschungen von Postwertzeichen, aber auch Paketmarken oder anderen Dingen mit verschiedenen Methoden überprüfen. Nach einer längeren nicht so einfachen Prüfung wurde der Verdacht von der ZUST in Darmstadt bestätigt. Darauf hin wurden ab sofort alle täglich gefundenen Sendungen als Beweismaterial beschlagnahmt. Innerhalb weniger Tage kamen so laut Zeugenaussagen insgesamt 640 Sendungen zusammen. Diese wurden dann auf Weisung der Fachseite zum Briefzentrum 66 zur dortigen Mitarbeiterin der Konzernsicherheit weitergeleitet. Dem Zeugen wurden dazu auch noch einmal einige Fotokopien der beschlagnahmten Sendungen vorlegt, damit er bestätigen konnte, das es sich auch um diese handelt. Nachdem alle Fragen der Richterin, der Staatsanwältin und des Anwalts beantwortet waren, wurde auch dieser Zeuge entlassen.
Es folgte die Zeugenvernehmung des Kriminalkommisars der Polizei, der diese Untersuchung betreut und geleitet hatte. Eine Schwierigkeit für die erste Hausdurchsuchung war dabei schon der Wohnort des Beschuldigten. Angeblich hatte er sich 2016 aus dem Haus seiner Eltern, wo er scheinbar bisher wohnte, nach Forbach in Frankreich abgemeldet. Dazu musste nun erst einmal ein Rechtshilfeersuchen für eine Hausdurchsuchung an die französischen Behörden erstellt werden. Dies hat sich über einige Monate hingezogen, bis endlich auch ein Durchsuchungsbeschluss für die angebliche Wohnanschrift in Frankreich vorlag. Der Beschuldigte wusste also schon mehrere Monate, das seine Sendungen nicht bei den Käufern angekommen waren und das hier eventuell oder sicher eine Hausdurchsuchung erfolgen könnte. Er hatte also viel Zeit sich darauf vorzubereiten. Sicherheitshalber erfolgte die Hausdurchsuchung in Frankreich gleichzeitig mit der früher bekannten Wohnung bei seinen Eltern in Saarbrücken. In der Wohnung bei seinen Eltern wurden nun in einem Büro, das eventuell auch teilweise noch der Vater nutzte, etwas Beweismaterial gefunden, das in der abschließenden Sitzung im Gerichtsaal teilweise noch einmal zu sehen war (Drucker, Computer, diverses Büromaterial, Druckproben für ATM-Aufdrucke).
Nicht durchsucht wurde eine den Eltern gehörende Eigentumswohnung, die auch über entsprechende Abstellkeller verfügte. Insgesamt wurden gegen den Beschuldigten ja drei verschiedene Anzeigen von der Deutschen Post wegen Urkundenfälschung (Fälschung von Briefmarken zum Schaden der Post) erstattet. Die erste, um die es hier in dem Artikel hauptsächlich geht, eine zweite spätere Anzeige, wegen wiederholter Nutzung verfälschter ATM, und eine noch spätere dritte, die den Täter beschuldigte, statt verfälschter ATM gefälschte Briefmarken zur Frankatur seiner Sendungen zu nutzen (Stadtbahn Stuttgart à 145 Cent und Fuchsie à 400 Cent– beide naßklebend ohne UV).
Bei der Zeugenaussage des Kriminalbeamten kam heraus, das das zweite Verfahren in der Zwischenzeit von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde und das dritte Verfahren scheinbar nur indirekt hier berücksichtigt wird. Vermutlich war die nachgewiesene Schadenssumme des Portos nicht hoch genug. Erwähnt wurde aber diesbezüglich, das es deshalb circa ein Jahr später eine zweite Hausdurchsuchung beim Angeklagten gegeben habe. Da diese aber auch erste einige Wochen nach Beschlagnahmung entsprechender Sendungen durch die Post erfolgte, hatte der Angeklagte erneut genug Zeit, Beweismaterial verschwinden zu lassen.
Nach der Aussage des untersuchenden Kriminalbeamten wurde ein IT-Forensiker der Polizei zur Zeugenaussage in den Saal gebeten. Er hatte den Auftrag in einer Grobanalyse (Erstanalyse) für eine schnelle weitere Bearbeitung den Computer zu untersuchen. Gefunden hat er diverse Pdf-Dateien mit Briefmarken, Wertaufdrucken von Automatenmarken, Kundenlisten und Preislisten für Batterien.
Zum Schluss erfolgte noch die Zeugenaussage eines Gutachters der Polizei für Fingerabdrücke. Von den beschlagnahmten 640 Sendungen wurden durch Zufallsprinzip 20 Sendungen ausgewählt und der Inhalt und die Umschläge wurden auf Fingerabdrücke des Beschuldigten untersucht. Dabei wurde einmal an einer Batterie und einmal bei einem Umschlag ein Fingerabdruck des Angeklagten gefunden. Die Richterin verkündete nun nach der Entlassung des fünften Zeugen, das die Verhandlung am Mittwoch den 8. Juli um 9 Uhr fortgesetzt würde mit der Zeugenvernehmung eines Gutachters von der Deutschen Post von der ZUST in Darmstadt.
Der Abschluß
Wie bei der zweiten Hauptverhandlung schon angekündigt, erfolgte am 8. Juli die Fortsetzung, zu der der Autor als Besucher anwesend war. Zuerst wurde hier noch der letzte Zeuge in diesem Verfahren angehört. Es handelte sich um den Gutachter Herrn Joel B. Von der Zentralen kriminaltechnischen Untersuchungsstelle der Deutschen Post (ZUST) aus Darmstadt. Er sollte das Gutachten erläutern, das am 7.September 2017 erstellt wurde. Dieses wurde noch von seinem Vorgänger, der mittlerweile in Rente war, erstellt. Sehr gut hatte sich dieser Zeuge aber nicht auf die Verhandlung vorbereitet. Denn er sagte aus, das bei diesem Gutachten, die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Farbbänder mit einem Farbband aus einem Münzwertzeichendrucker (MWZD) mittels Dünnschichtchromatographie verglichen worden wären. Selbst auf Nachfrage von der Staatsanwältin und der Richterin und des Anwalt des Angeklagten wurde diese Aussage wiederholt. Dies konnte natürlich zeitlich nicht stimmen, da die Hausdurchsuchung, wo entsprechende Farbbänder beschlagnahmt wurden, erst ein halbes Jahr nach Erstellung des Gutachtens durchgeführt wurde. Außerdem sagte der Gutachter aus, das angeblich laut der Versandstelle Weiden solche Wertstufen zu 805 Cent beziehungsweise 855 Cent gar nicht zu kaufen wären. Auch diese Aussage ist falsch, wie fast jedem Briefmarkensammler bekannt ist.
Die heutigen MWZD können als sogenannten Wunschwert eine maximale Wertstufe 3600 Cent drucken. Dazu dürfen aber maximal nur 16 Münzen genutzt werden. Daher studierte die Staatsanwältin und die Richterin noch einmal ausführlich das schriftlich vorliegende Gutachten vom 7. September 2017. Dort stand, dass für dieses Gutachten drei Briefmarken von beschlagnahmten Sendungen aus dem IPZ 1 mit einem Originalfarbband mittels Dünnschichtchromatographie verglichen wurden. Hier handelt es sich um ein physikalisch-chemisches Trennverfahren, das zur Untersuchung der Zusammensetzung von Proben genutzt wird (verglichen wurde hier also die Farbe). Einfacher wäre hier allerdings eine Raman-Spektroskopie gewesen. Diese erfordert aber auch eine entsprechende Ausstattung. Nach fünfzehn Minuten wurde der Gutachter entlassen und verließ umgehend den Gerichtssaal.
Damit waren die Zeugenbefragungen beendet und es erfolgte in der nächsten kappen Stunde die Beweisaufnahme in Form der Betrachtung ausgewählter Asservate, die bei der Hausdurchsuchung sichergestellt wurden. Zuerst wurden von den 640 im IPZ 1 beschlagnahmten Postsendungen 30 zufällig ausgewählt und von dem Verteidiger, der Staatsanwältin und der Richterin betrachtet. Diese lagerten hinter dem Richtertisch und waren für die Zuschauer nicht besonders gut einsehbar. Zwar wurde das eine oder andere dabei von der Richterin mündlich genannt oder ansatzweise beschrieben, es war für die Zuschauer aber nicht erkennbar.
Dies geschah auch mit einigen anderen Asservaten. Interessant fand die Staatsanwältin dabei besonders Wertaufdrucke mit 17 Cent. Gezeigt wurden aber auch Testsendungen des Angeklagten an eine fingierte Adresse, um zu prüfen, ob seine Sendungen auffallen. Dabei waren auch zwei Sendungen, die die Post als Fälschung erkannt und entsprechend mit „Postwertzeichen falsch“ gekennzeichnet hatte, die aber mangels Absender, an eine spezielle dem Absender bekannte Adresse zugestellt wurden.
Gezeigt wurden weiter einige Kopien von Dingen, die in der zweiten Hausdurchsuchung gefunden wurden. Das eine oder andere Schreiben, das beschlagnahmt worden war, wurde teilweise vorgelesen. Festgestellt wurde abschließend, das 400 Einschreiben und 240 Eilbriefe International als Beweismaterial vorhanden waren, die im IPZ 1 innerhalb weniger Tage beschlagnahmt wurden. Bezüglich der Auslandseinschreiben wurde aber als Schaden nur das Porto für einen Einschreibekompaktbrief Inland angenommen. (250 + 85 Cent statt 250 + 370 Cent für ein Auslandseinschreiben Großbrief). Damit war die Beweisaufnahme abgeschlossen.
Der Anwalt des Beschuldigten stellte nun einen Beweisantrag für einen Sachverständigen, der klären sollte, ob die beschlagnahmten Farbbänder überhaupt zur Herstellung der ATM genutzt worden sind. Dieser Antrag wurde von der Staatsanwältin als nicht zielführend abgelehnt, da ja eindeutig nachgewiesen wurde, das der Angeklagte die ATM genutzt hätte. Dies wurde von der Richterin durch ein scheinbar schon vorbereitete Begründung ausführlich mit vielen juristischen Fachbegriffen und Aussagen abgelehnt. Daher wünschte der Verteidiger eine kurze Unterbrechung, die gewährt wurde. Der Angeklagte und sein Rechtsanwalt gingen kurz vor die Tür und besprachen sich. Nach wenigen Minuten kamen Sie wieder in den Gerichtsaal.
Nun folge das Schlussplädoyer der Staatsanwältin. Hier wurde in knapp zehn Minuten einige wichtige Punkte stichpunktartig vorgetragen. Negativ gewertet wurden beispielsweise die Druckproben für die Wertaufdruck mit verschiedener Intensität, das die verfälschten Marken auch benutzt wurden, das entsprechende Fingerabdrücke auf den Umschlägen und dem Inhalt gefunden wurden, das kein Geständnis vorlag, das ein hoher Schaden entstanden wäre, das hohe kriminelle Energie vorhanden war, das immenses kriminelles Verhalten gezeigt wurde, das bei einer zweiten Durchsuchung erneut auffällige Sachen gefunden wurden und die Aussagen des Zeugen Jürgen O. Positiv gewertet wurde, das der Angeklagte bisher keine Vorstrafen hatte, das der Vorfall nun schon fast drei Jahre her ist. Wäre der Beschuldigte nicht erneut auffällig geworden, wäre er mit einer Geldstrafe davon gekommen.
So aber forderte die Staatsanwältin wegen wiederholter Versuche ein Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung auf drei Jahre und 5000 Euro Geldstrafe an eine gemeinnützige Organisation.
Es folgte die Gegenantwort des Anwalts des Beschuldigten. Es sieht den Verdacht nicht bestätigt, das sein Mandant die Marken gefälscht hätte und das er überhaupt wusste, das die Marken falsch wären. Weiter war er der Meinung, das die Verdachtsmomente nicht eindeutig zuordenbar seinen, da ja im dem Haus auch noch die Eltern wohnen würden. Aus diesen dürftigen Gründen forderte er einen Freispruch.
Nun hätte der Beschuldigte noch etwas sagen können, er schwieg aber. Die einzige Angabe von ihm bezüglich der Befragung durch die Richterin zu seiner Person war, das er scheinbar keine Arbeit hat und bei seinen Eltern wohnt. Die Richterin machte sich nun auf einen Zettel kurz einige Notizen. Anschließend mussten sich alle zur Urteilsverkündung erheben.
Das Urteil
Das Urteil lautete: Acht Monate auf Bewährung sowie 150 Stunden Sozialarbeit.
Nun konnten sich alle wieder setzen und es erfolgte stichprobenartig eine circa zehnminütige entsprechende Begründung. Wichtig war unter anderem die Aussage des Zeugen Jürgen O., das sich die Farbe des Wertaufdrucks im Laufe der Zeit geändert haben müsste, das man nicht etliche 100 Marken pro Tag mit Münzen aus einem MWZD ziehen würde, das der Wert der Ware in keinem Verhältnis zum Porto steht, das es lebensfremd ist, dauernd Sendungen mit zu hohem Porto (Überfrankierung) zu versehen, die Beweisstücke, die bei der Hausdurchsuchung sichergestellt wurden, die Druckversuche, keine plausible Gründe des Verteidigers zwecks Entlastung, der Schaden in Höhe von 2739 Euro , die nachgewiesene Urkundenfälschung und der versuchte Betrug, das Nachtatverhalten (zweiter und dritter Fall).
Da der Angeklagte bisher keine Vorstrafen hatte, wurde diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Anschließend folgte noch die Belehrung, wenn gegen die Bewährung verstoßen würde, müsste der Angeklagte ins Gefängnis. Er hat nun zwei Wochen Einspruchsfrist, dann würde das Urteil rechtskräftig werden. Im Falle eines Einspruchs würde laut nachher eingeholter Nachfrage beim Kriminalbeamten in circa zwei Jahren vor dem Landgericht alles noch einmal von vorne anfangen.
Resümee
Dieses Verfahren zeigt, das in der Praxis die Täter nicht viel zu befürchten haben, falls sie überhaupt erwischt werden. Es beginnt schon mit der Problematik des Tatortprinzips. Hier ist in der Regel immer ein anderer Kriminalbeamter, ein anderer Staatsanwalt für die Ermittlungen zuständig. Dies haben mit der Materie von Briefmarkenfälschungen in der Regel nur einmal in ihrem Leben mit solch einem Vorgang zu tun. Sie wissen also nicht, worauf sie bei einer Hausdurchsuchung besonders zu achten haben. Die Zeit, bis diese erfolgt, ist nicht zeitnah zur Beschlagnahmung der Briefsendungen, der Täter ist also in der Regel vorgewarnt und kann das entsprechende Material erst einmal verschwinden lassen.
Kompliziert wird es auch, wenn der Täter einen Wohnsitz im Ausland haben sollte oder das Geld über ausländische Konten läuft. Dies führt dazu, dass nicht viel oder gar nichts passiert und der Täter seine Spielchen weiter treiben kann.
Er sollte auch nicht dauernd das selbe Motiv fälschen, denn so würde er auf Dauer doch etliche Spuren hinterlassen, wie der Fall der drei Hattinger Brüder (siehe philatelie 491 – Mai 2018) gezeigt hat. Wie die letzten Jahre aber zeigen, wurden viele der Fälschungen nicht in Millionenauflagen gedruckt, sondern das Motiv wurde oft gewechselt. Damit fängt das Hase und Igel-Spiel bezüglich der Ermittlung der Fälscher mit jedem Motiv erneut von vorne an.
Eine Analyse von Gerichtsverfahren bezüglich Briefmarkenfälschungen zeigt, dass es hier sehr selten überhaupt zu entsprechenden Gerichtsverfahren kommt. Außerdem besteht viel Zeit von der Beschlagnahmung erster Sendungen bis zu einer möglichen Hausdurchsuchung. Daher werden oft nur kleinere Heller oder Gelegenheitsfälscher angeklagt, die gewisse Mengen gefälschter Marken vertrieben haben.
Die Hintermänner und Produzenten der Fälschungen können also ohne große Gefahr munter weiter machen, sie haben nichts zu befürchten.
Erschreckend ist natürlich auch die Berechnung der Schadenssumme, hier wird nur der reine nachgewiesene Frankaturwert als Schaden genommen. Die Post muss also erst einmal große Mengen an Briefsendungen mit Fälschungen beschlagnahmen, damit eine entsprechend gerichtsrelevante Schadenssumme zustande kommt.
Die angeblich im Gebührenheft stehende Strafe je Sendung mit gefälschten Briefmarken in Höhe von 50 Euro je Sendung ist also nur eine fiktive Abschreckungsangabe, die scheinbar bisher noch bei keinem bekannten Gerichtsverfahren mit dem Tatbestand der Briefmarkenfälschung angewandt wurde. Wäre diese in obigen Fall angewandt worden, wäre der Schaden nicht mit 2739 Euro sondern mit 32000 Euro anzusetzen gewesen – ein deutlicher Unterschied.