Die ersten Matrixcode-Fälschungen von Deutschland
Coautor - Bernd Hanke
(erscheint in philatelie 561 - März 2024)
In der philatelie 550 vom April 2023 hatten die Autoren ja das erste Mal über Matrixcodefälschungen berichtet. Es ging damals um englische Briefmarken mit Matrixcode, die in China gefälscht wurden. In der jünsten philatelie 560 vom Februar wurde erstmals über die sogenannte „Laserperforation“ im Zusammenhang mit Fälschungen aus China berichtet. In diesem Artikel über die Fälschung 270 Cent Habichtskraut wurde zum damaligen Redaktionsschluss schon angedeutet, dass es nun die ersten fünf verschiedenen Markenmotive mit gefälschten Matrixcodes aus Deutschland geben könnte.
Dies hat sich tatsächlich bestätigt. Mit Matrixcode gefälscht wurden alle drei Portostufen der Zuschlagsmarke „Hans im Glück“ (85 + 40 Cent, 100 + 45 Cent und 160 c 55 Cent).
Weiter wurden noch die zwei Sondermarken 85 Cent mit dem Motiv „Bertolt Brecht“ und „Insel Mainau“ gefälscht. Aus Platzgründen werden im folgenden Artikel nur die drei verschiedenen „Hans im Glück“ Motive ausführlicher vorgestellt. Die anderen zwei Fälschungen sollen in der folgenden philatelie näher vorgestellt werden.
Der Vertrieb
Der Vertrieb dieser neuen Fälschungen erfolgte anfangs ab circa November 2023 über das internationale eBay und ab circa Mitte Dezember auch über das deutsche eBay und über deutsche eBay-Zwischenhändler, die beim Verkauf dieser Fälschungen als echte Ware noch etwas dazu verdienen wollen. Was die Direktanbieter aus China angeht, dürfte es beim Erscheinen des Artikels schon wie bisher passiert sein, dass entsprechende Accounts gelöscht und durch andere ersetzt wurden.
Allgemeine Druckdetails
Die echten Marken wurden im Offsetdruck mit Gelb 0 Grad, Cyan 75 Grad, Magenta 45 Grad, Schwarz als geschlossene Fläche und der Sonderfarbe Braun hergestellt. Die chinesischen Fälscher haben nur bei der schwarzen Farbe anders gearbeitet, diese wurde im Bereich der Schrift mit 15 Grad gerastert und sonst als geschlossene Fläche eingesetzt. Zusätzlich wurde eine Lackierung mit 75 Grad genutzt, in der sich die UV-Pigmente befinden. Die Gummierung wurde mittels Druckverfahren auf der Rückseite aufgetragen. Die Papierdicke ist bei dem Original und der Fälschung mit einem Wert von 0,085 bis 0,090 Millimeter identisch. Allerdings fühlen sich die gefälschten Kleinbogen in der Handhabung etwas steifer an. Ein weiteres interessantes Unterscheidungsmerkmal ist die Rasterweite. Die Rasterweite ist der Abstand zwischen zwei Rasterlinien. Dies soll am Beispiel des Buchstabens „A“ von „Hans im Glück“ bei dem Wert 160 + 55 Cent näher erläutert werden.
Die Einheit für die Rasterweite ist „Linien/Zentimeter (L/cm)“, oder englisch „lines per inch (lpi)“. Für sehr feine Kunstdruck gilt eine Rasterweite von 100 L/cm, also ein Abstand von 0,1 Millimeter zwischen zwei Rasterlinien. Die Bundesdruckerei hält diesen Wert ein.
Wie das zweite Bildbeispiel von den Fälschungen zeigt, wird bezüglich der Rasterweite generell bei allen drei hier vorgestellten Fälschungen mit 0,14 Millimeter, also einer Rasterweite von circa. 70 L/cm gearbeitet. Insgesamt zeigen die chinesischen Fälschungen bei der 85 + 40 Cent Marke ein dunkleres Rot als beim Original.
Dieser unterschiedliche Effekt beruht darauf, das es bei der echten Marke im roten Bereich kein auffälliges sichtbares Raster gibt. Dies ist bei der Fälschung rechts anders, hier gibt es ein auffälliges sichtbares Raster mit einem Punktschluss an allen vier Quadranten der Rasterpunkte. Beim Wert 100 + 45 Cent wirkt die blaue Farbe dunkler als bei der echten Marke und ähnlich verhält es sich beim Ocker des Wertes 160 + 55 Cent.
Ausgewählte Bildelemente
Beginnen wir hier zuerst mit einer Marke 85 + 40 Cent und betrachten das Haus auf der linken Seite der Marke in der linken unteren Ecke genauer. Die gelbe Farbe liegt hier gut erkennbar auf 0 Grad. Bedingt durch den größeren Rasterabstand hat die gelbe Fläche beim Haus allerdings im Fall der Fälschung nur drei senkrechte Rasterlinien.
Während bei der echten Marke ober- und unterhalb der gelben Flächen in den braunroten Bereichen schwarze durchgehende Schraffurlinien vorhanden sind, benutzten die Fälscher hier schwarze gerasterte Punktketten. Diese unterschiedliche Gestaltung kann man auch in anderen Bereichen bei der braunroten Bekleidung von Hans und dem Pferd sehen.
Untersucht man das eine oder andere Bildelement wie beispielsweise die Kuh auf der linken Seite beim Kompaktbriefporto 100 + 45 Cent, so findet man weitere Details. Bei der echten Kuh auf der linken Seite zeigen die blauen Rasterpunkte der Hintergrundfarbe den Winkel der Punktketten. Diese Rasterlinien werden auf den rotbraunen Elementen im Hut, der Feder und Mütze und Bekleidung der Person mit der Gans fortgesetzt. Die scheinbaren schwarzen Farbpunkte sind eine Farbmischung.
Rechts bei der falschen Kuh fällt besonders die Rasterung von Cyan mit Punktschluss der Rasterpunkte an allen Quadranten auf. Auf der rotbraunen Farbe der Bekleidung entsteht hier durch Farbmischung ein schwarzes Raster. Im Unterschied zum Original sind die gelben Flächen der Augen und Ohren der Kuh mit deutlichen roten Rasterpunkten aufgefüllt. Bei der echten Kuh links dagegen, sind diese nur ganz schwach und zart erkennbar.
Betrachten wir nun als letztes Bildelement das Haus rechts bei der Marke 160 + 55 Cent genauer. Auch hier sind die Winkellagen der einzelnen Farben in den Details des Hauses gut zu erkennen. Gelb ist als Hintergrundfarbe mit leichten Magentapunkten versehen.
Beim Vergleich kann man auch hier gut die unterschiedliche Rasterweite sehen, die sich bei der Fälschung in weniger Punktreihen beispielsweise in den blauen Fenstern bemerkbar macht. Zusätzlich kann man bei der Fälschung eine Passerverscbiebung von Magenta und Cyan nach oben sehen. Diese verursachen beispielsweise einen besonderen Effekt der schwarzen Linien beim Eimer.
Ausgewählte Schriftelemente
Nun betrachten wir jeweils noch ein Schriftelement von jeder Portostufe, um beispielhaft die entsprechenden Unterschiede zwischen dem Original und der chinesischen Fälschung zu zeigen. Beginnen wir hier mit der Standardbriefportostufe und betrachten speziell den Abstand vom Wort „Hans“ zum unteren farbigen Rand der Marke.
Bei der echten Marke beträgt der Abstand 0,11 Millimeter. Die Fälscher haben die Schrift hier etwas höher gesetzt, der Abstand beträgt daher 0,14 Millimeter. Die Schrift selbst zeigt im Gegensatz zur Fälschung kein auffällig sichtbares Raster. Bei der echten Marke sind nur die Kettenlinien von Cyan erkennbar. Das Plagiat dagegen besitzt Rasterpunkte von Magenta und Cyan.
Bei der zweiten Wertstufe 100 + 45 Cent betrachten wir einen Ausschnitt der Jahreszahl „2023“ genauer. Wie auch beim ersten und beim dritten Wert kann man um die Jahreszahl bei den weißen Flächen des Papiers noch ein deutliches gelbes Farbraster sehen.
Bei der Marke 160 + 55 Cent betrachten wir abschließend einen Ausschnitt des Zuschlags. Bei dem Original kann man weder in den Punkten noch bei der Zahl eine Rasterung erkennen. Dies ist bei der Fälschung anders. Hier kann man jeweils am oberen Rand gut die Passerverschiebung von Magenta erkennen. Weiter sieht man in den Punkten und bei der Zahl ein schwarzes Raster.
Die Sicherheitsmerkmale UV und Seltene Erden
Bei den echten Marken sind die UV - Pigmente wie gewohnt im Papierstrich enthalten. Die gelbe Reaktion auf UV – Licht ist jedoch nicht sehr stark ausgeprägt. Die Infrarot – Pigmente wurden mittels eines farblosen Trägers mit 45 Grad Raster vor dem Farbdruck als erste Druckschicht aufgebracht.
Die Fälscher arbeiten hier wie so oft anders. Die UV – Pigmente liegen in einer Schlußlackierung über der Farbe. Vom Erscheinungsbild her wirkt sie sehr fleckig. Die „Seltene Erden“ Pigmente wurden von den Fälschern ignoriert, sie fehlen daher.
Auch bei der nicht gezeigten Marke 100 + 45 Cent gibt es keine anderen Unterschiede zwischen dem Original und der chinesischen Fälschung.
Die Zähnungslöcher
Beim Original und der Fälschung beträgt die Perforation jeweils 13 ¾ – 13 ¾ . Während die echten Marken mittels der schon beim letzten Mal ausführlicher vorgestellten Schleifperforation, hergestellt wurden, sind alle neuen Fälschungen mittels Laserperforation hergestellt worden. Diese werden mittels eines fein fokussierten Laserstrahls von der Gummierungsseite aus geschnitten. Während es bei der Fälschung Habrichtskraut noch deutlichere Erkennungsmerkmale gab, sind diese nun geringer geworden.
Die Löcher selbst sind nicht mehr so konisch geformt und die Brandspuren (Braunfärbung) am Rand sind deutlich geringer. Vereinzelt kann man hier aber immer noch das eine oder andere nicht komplett ausgeschnittene Loch finden. Außer an der Laserperforation kann die Fälschung auch noch an der mittels Rasterdrucks aufgedruckten Gummierung gut erkannt werden.
Der Datamatrixcode
Bei den echten Marken wurde der Datamatrixcode mittels Tintenstrahldrucks in erhabener, glänzender Form in einem separaten Druckgang individuell für jeder einzelne Marke gedruckt. Wie schon bei den englischen Matrixcodefälschungen haben die Chinesen diesen hier im Offsetdruck mit geschlossener Fläche ohne Rasterpunkte gedruckt.
Der einzelne gefälschte Kleinbogen hat auch zehn verschiedene gefälschte Matrixcodes in der gleichen Anordnung, wie ein echter Bogen. Würde man diesen gefälschten Kleinbogen mit einen weiteren gefälschten Kleinbogen vergleichen, wären die Matrixcodes bei beiden identisch. Dies ist bei den echten, wie bekannt, nicht der Fall. Der echte Kleinbogen „Hans im Glück“ 85 + 40 Cent wurde liegend gedruckt. Dies kann anhand der drucktechnischen Merkmale und der Schleifperforation belegt werden. Leider kann an dieser Stelle aus Platzgründen der „liegende“ Druck nicht weiter erläutert werden. Wer sich hier für weitere Details interessiert, findet in der AGF Rundschau Nummer 174 – II/2023 ab Seite 11 eine ausführliche Erläuterung im Artikel „Wohlfahrtsmarke 85 + 40 Cent „Hans im Glück: Der Abschied“ mit deutlichen Farbunterschieden“.
Dementsprechend baut sich die Nummerierung der Marken mit Matrixcode auf. Am Beispiel einer echten Marke 0,85 + 0,40 Euro wird das Prinzip erläutert.
Ausgelesen wurde hier die linke obere erste Marke (Eckrandstück) bei liegender Anordnung. Der Zuschlag ist postalisch nicht relevant und steht deshalb nicht im Datamatrixcode. Bei der Fälschung konnte mangels der fehlenden Schleifperforationsmerkmale kein liegender Druck nachgewiesen werden. Die Nummerierung der Fälschung erfolgte aber nach dem gleichen Schema.
Die laufende Nummer erhält man beispielsweise aus der Frankier-ID. Hier muss man nur die hexadezimale Zahl von der 11. Stelle bis zur 19. Stelle in dezimal umwandeln. Normalerweise macht das auch die Post & DHL App, aber die aktuelle Version hat ein Java-Script-Problem und zeigt derzeit nicht alle Daten richtig an.
Besonders interessant sind aber die ersten Analysen über die Post- und DHL App der jeweiligen Frankier-ID mittels Basissendungsverfolgung. Einige Marken konnten hier noch nicht als gelaufen erfasst werden, teils findet man aber schon entsprechende Daten ab dem 4. Januar 2024. Bei einigen Marken gab es sehr ungewöhnliche „angebliche Sendungsverläufe“, wo der jeweilige Brief gewesen sein soll. In einem Fall war ein Brief angeblich im Abstand von nur vier Minuten am Freitag den 19.01.2024 zuerst um 20 Uhr 06 im Briefzentrum Leipzig und wenige Minuten später um 20 Uhr 10 im Briefzentrum Offenburg.
Die Ursache dieser ungewöhnlichen Daten dürfte die gleichzeitige Benutzung der selben gefälschten Marke an zwei verschiedenen Orten gewesen sein. Dabei stellt sich die interessante Frage, ob die Analysesoftware der Deutschen Post in der Lage ist, dies zu erfassen. Dazu müssten natürlich alle Briefzentren diesbezüglich direkt „life“ miteinander vernetzt sein. Die verschiedenen Sendungsverläufe scheinen dies aber nicht zu bestätigen. Es scheint also bei der Technik noch Schwachstellen zu geben.
Teilweise gibt es noch wesentlich verwirrendere Daten der selben Sendungsnummer 1.870.459 (Hexadezimal 1C8A7B – ohne Prüfziffer 7). Es handelt sich in diesem Fall um die rechte untere Bogenecke des gefälschten Kleinbogens 85 + 40 Cent. Diese Marke tauchte erstmals am 11. Januar 2024 um 19 Uhr 48 im Briefzentrum Offenburg auf.
Seit dieser Zeit wurde diese Marke weitere 14 Mal in den folgenden BZ erfasst (76 / 30 / 04 / 04 / 78 / 04 / 78 / 04 / 04 / 04 / 44 / 04 / 44 / 40). In den letzten Tagen vor Redaktionsschluss wurde die Sendung am 29. Januar 2024 um 19 Uhr 52 in Leipzig und kurze Zeit später in Duisburg erfasst. Am nächsten Tag (30. Januar 2024) war sie für die Zustellung in Düsseldorf. Sie wurde also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht als Fälschung erkannt und einfach zugestellt. .
Abb-19-DMC-5:
Die Benutzung
Wie die ersten Analysen der gefälschten Datamatrixcodes mittels der Basissendungsverfolgung zeigen, wurden diese Marken ab Anfang Januar in verschiedenen Gegenden von Deutschland von Kunden genutzt, die diese vorher bei Ebay erworben hatten. Besonders interessant ist dabei der 85 + 40 Cent Wert der Marke „Hans im Glück“. Bei diesem wurden die meisten Daten gefunden, Bezüglich des zweiten Wertes 100 + 45 Cent für einen Kompaktbrief wurden auch schon einige Daten gesichtet. Beim Höchstwert 160 + 55 Cent ist es bis zum Redaktionsschluss noch sehr ruhig gewesen. Hier wurden bisher nur wenige Fälle festgestellt, für die die Fälschungen genutzt wurden. Die Autoren werden diese Marken auch nach Redaktionsschluss weiter systematisch beobachten.
Resümee
Wenn die dazu gehörige entsprechende Analysesoftware richtig funktioniert, ist der Datamatrixcode ein sehr gutes maschinell prüfbares Sicherheitselement. Dann dürften die Käufer dieser Fälschungen mit der Nutzung große Schwierigkeiten bekommen. Ob dies derzeit allerdings aufgrund der vorliegenden Basissendungsverfolgungsdaten stimmt oder ob es diesbezüglich doch noch Probleme gibt, muss noch genauer beobachtet werden.
In der nächsten Ausgabe der philatelie werden die Autoren dann die zwei anderen Matrixcodefälschungen der beiden 85 Cent Marken „Bertolt Brecht“ und „Insel Mainau“ genauer vorstellen.
Nachtrag zur Folienblattfälschung 80 Cent Kapuzinerkresse
Nach neuesten Analysen gibt es von dieser Fälschung aus China nun mindestens eine zweite Auflage, die sich an einer anderen Rasterung nachweisen lässt.