Die Fälschung "Ärzte ohne Grenzen"

 

Coautor - Bernd Hanke

 

(erscheint in philatelie 559 - Januar 2024)

 

Am 2. Dezember 2021 kam die nassklebende Marke „50 Jahre Ärzte ohne Grenzen“ (Mi-Nr. 3650) als letzte Marke ohne Matrixcode heraus. Anfang Oktober 2023 erhielt der Autor einen ersten Hinweis, dass diese Marke scheinbar auch als Fälschung zum Schaden der Deutschen Post existiert. Angeboten wurden diese Fälschungen von einem Kommissonshändler bei Ebay ab Mitte August. Nach Vorlage der verdächtigten Marken wurde leicht festgestellt, dass es sich um Fälschungen handelt, da das zweite Sicherheitselement, die „Seltene Erden“, fehlt. Im folgenden Artikel wird diese neue Fälschung vorgestellt, damit man Sie leicht erkennen kann.

 

 

Der Vertrieb

 

Um möglichst wenig nachverfolgbare Spuren zu hinterlassen, versuchen die Vertreiber von gefälschten Marken oft diese im Direktverkauf beispielsweise beim Aufsuchen eines Briefmarkenladengeschäfts per Barkasse an die Frau oder den Mann zu bringen. Im heutigen Fall hat man sich als ahnungsloses Opfer einen Kommissionshändler ausgesucht, der für nicht internetfähige Kunden beispielsweise Porzellan oder andere werthaltige Stücke über Ebay verkauft. Dieser Kommissionshändler wurde per Email kontaktiert, man hätte aufgrund einer Firmeninsolvenz eine größere Menge Briefmarken günstiger abzugeben. In diesem Fall handelte es sich um nassklebende 10er Bogen Ärzte ohne Grenzen, bei denen aber kein Bogenrand vorhanden war. Da der vom Autor befragte Kommissionshändler kein Spezialist für Briefmarken war und ihm auch nicht bekannt war, dass es immer mal wieder Briefmarkenfälschungen geben könne, ging er auf das Geschäft ein. Ab circa Ende August bot er in der Regel per 100 und 200 Stück, zum Schluss per 400 diese postfrischen Marken als Frankaturware an.

Bildschirmfoto des Ebay Angebots über 400 Stück
Bildschirmfoto des Ebay Angebots über 400 Stück

Der Verkauf lief reibungslos, bis einer der Käufer ein Frankaturwarehändler war. Dieser erkannte nach Zusendung die Fälschung und informierte den Autor. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der ahnungslose Kommissonswarehändler eine Gesamtmenge von 2000 gefälschten Marken zum Verkauf angeboten. Nach der Rückmeldung, dass es gefälschte Marken wären hat er selbstverständlich den Verkauf gestoppt und versucht die bisherigen Käufe zu stornieren. Der per Email an den Kommissionshändler herangetretene Verkäufer wollte von gefälschten Marken aber nichts mehr wissen und hat sich scheinbar auch nicht mehr zwecks Rücknahme gemeldet.

Ein echter nassklebender Kleinbogen mit Rand
Ein echter nassklebender Kleinbogen mit Rand

 

Die Druckdetails

 

Betrachten wir als erstes die Farben, diese sind beim Original und der Fälschung identisch (Gelb, Magenta, Cyan und Schwarz). Dies ist bei einem Offsetdruck natürlich auch nicht anders zu erwarten. Während die Fälschung die folgenden Rasterwinkel haben: Gelb = O Grad, Magenta = 45 Grad, Cyan = 75 Grad und Schwarz = 15 Grad kann man beim Original keine Rasterwinkel erkennen. Die Druckerei Royal Enschede, die die Marken „Ärzte ohne Grenzen“ hergestellt hat, weicht hier mal von dem „klassischen“ Offsetdruck ab. Statt eines üblichen Rasters mit entsprechenden Rasterwinkeln wird ein sogenanntes „stochastisches Raster“ eingesetzt. Bei diesem sind die Rasterpunkte alle gleich groß, oder besser gesagt, gleich klein und werden zufällig angeordnet, mal enger zueinander, mal weiter auseinander. Damit lassen sich kleine, feine Konturen deutlicher darstellen. Das haben die Fälscher aber nicht berücksichtigt oder aber bei der Analyse übersehen.

Eine USB-Mikroskopaufnahme von der linken oberen Ecke, links die echte Marke, rechts die Fälschung
Eine USB-Mikroskopaufnahme von der linken oberen Ecke, links die echte Marke, rechts die Fälschung

Als erstes Beispiel dieser unterschiedlichen Rasterungsmethoden, zeigt das obige Beispiel eines Ausschnitts der linken oberen Ecke diese Unterschiede. Beim echten linken Ausschnitt kann man keine Rasterwinkel ausmachen, da ja alle Farbpunkte zufällig angeordnet sind. Im Gegensatz dazu kann man beim falschen rechten Ausschnitt leicht entsprechende typische Rasterwinkel erkennen. Da die einzelnen Rasterfarben nicht perfekt zusammen liegen, wirkt die Fälschung unscharf. Es entsteht ein Moire (ein unerwünsches Muster), das beim Betrachten richtig schmerzhaft sein kann.

USB-Mikroskopaufnahme im Bereicht der arabischen Schrift, links wieder die echte Marke, rechts die Fälschung
USB-Mikroskopaufnahme im Bereicht der arabischen Schrift, links wieder die echte Marke, rechts die Fälschung

Diesen Unterschied der verschiedenen Rastertechniken ist auch beim zweiten ausgewählten Abschnitt im Bereich der arabischen Schrift gut zu sehen. Beim linken echten Ausschnitt ist wieder kein Rasterwinkel sichtbar, während diese Farben bei der Fälschung rechts im Winkel angeordnet wurden.

 

In Bereichen, wo eine weiße Schrift im Motiv eingesetzt wird, machen die Fälscher oft den typischen Fehler, hier im weißen Bereich trotzdem eine leichte farbige Rasterung als Hintergrund einzusetzen. Dies ist auch bei der vorliegenden Fälschung der Fall.

USB-Mikroskopausschnitt des Buchstabens „d“ von Wort Deutschland
USB-Mikroskopausschnitt des Buchstabens „d“ von Wort Deutschland

Wie man bei der obigen Abbildung des Buchstabens „d“ von Deutschland gut erkennen kann, ist bei der echten Marke eine weiße Fläche vorhanden. Bei der Fälschung dagegen wird durchgerastert, wenn auch nicht so stark. Dies führt dazu, dass die Schrift unsauber wirkt.

 

 

Die Sicherheitsmerkmale UV und Seltene Erden

 

 

: Die Betrachtung der echten Marke und der Fälschung, im ersten Fall bei 365 Nanometer, im zweiten Fall bei 256 Nanometer
 Die Betrachtung der echten Marke und der Fälschung, im ersten Fall bei 365 Nanometer, im zweiten Fall bei 256 Nanometer

Vergleichen wir zuerst eine echte und eine falsche Marke unter 365 Nanometer. Während bei der echten Marke rechts eher ein grünliches Leuchten zu sehen ist, erscheint die Fälschung rechts etwas gelblicher, also eher kräftiger leuchtend. Betrachtet man die gleichen Marken ergänzend noch unter 256 Nanometer, so erkennt man auch hier noch bei der Fälschung eine deutlichere Fluoreszenz. Der Fluoreszenzstoff für das UV-Licht liegt wahrscheinlich in einer Lackierung auf den Farben. Die Prüfung auf Seltene Erden mittels eines Infrarotlasers fällt eindeutig aus, hier ist bei der Fälschung nichts vorhanden.

 

 

Die Zähungslöcher

 

Vergleicht man die echten Marken mit den Fälschungen, so stimmt die Perforation bei beiden überein: 13 ½ zu 13 ¾. Allerdings haben die Löcher eine etwas eigenartige Form.

 

Ein Mikroskopausschnitt der Perforation von vorne, links die echte Marke, rechts die Fälschung mit den unrunden Löchern, sowie ein Loch von hinten 200 fach vergrößert
Ein Mikroskopausschnitt der Perforation von vorne, links die echte Marke, rechts die Fälschung mit den unrunden Löchern, sowie ein Loch von hinten 200 fach vergrößert

Die Löcher haben auf einer Seite eine leichte zusätzliche Ausbuchtung ähnlich wie ein „Schnabel“. Die Löcher sind wohl mit einer Rotationsstanzung gefertigt worden. Bezüglich der Zähnungslöcher liegt den Autoren seit wenigen Tagen eine weitere Fälschung vor, bei der erstmals diese Löcher mit einem feinen fokusierten Laserstrahl herausgeschnitten statt gestanzt wurden. Vermutlich kann man damit die Kosten für das Stanzen deutlich minimieren. Das hier vermutete Rotationsstanzungsverfahren ist auch so ein Ansatz die Kosten an dieser Stelle zu senken.

 

 

Die Benutzung

 

Das aktuelle Entgelt für einen Maxibrief beträgt 275 Cent, will man die Fälschung also zur Frankatur nutzen, muss man eine Mischfrankatur mit einer echten Marke einsetzen. Da die Deutsche Post hier keine Aussagen machen würde, ob sie eine Mischfrankatur einer echten und falschen Marke im Maxibriefbereich erkennen könnte, haben die Autoren hier einen Testbrief verschickt. Dieser wurde unbeanstandet befördert.

Testbrief einer Mischfrankautur aus dem Bereich des Briefzentrums 35. Die Fälschung wurde nicht erkannt und sauber mit einem Handrollstempel entwertet
Testbrief einer Mischfrankautur aus dem Bereich des Briefzentrums 35. Die Fälschung wurde nicht erkannt und sauber mit einem Handrollstempel entwertet

Es besteht daher der Verdacht, dass im Bereich der Maxibriefe keine automatische UV-Prüfung und oder „Seltene Erden“-Prüfung erfolgt. Solche Mischfrankaturen dürften also einfach mit einem Handrollstempel wie beim gezeigten Testbrief entwertet und ohne Beanstandung beim Empfänger zugestellt werden. Wenn man die Entwicklung der gefundenen Fälschungen aus den letzten zwei Jahren betrachtet, stellt man fest, es werden bisher nur Briefmarken ohne Matrixcode gefälscht. Diese müssen dann allerdings als Mischfrankatur genutzt werden, da sich das Porto ja zum 1. Januar 2022 geändert hatte. Daher stellt sich hier gleichzeitig die interessante Frage, ist die derzeit eingesetzte Technik in der Lage, eindeutig solche Mischfrankaturen zu erkennen und heraus zu filtern?

 

 

Resümee

 

Da bisher noch keine weiteren großen Meldungen zu dieser Fälschung aufgetaucht sind, vermuten die Autoren, dass hier erst einmal ein Kleinstcharge zu Testzwecken hergestellt wurde, Interessant ist ferner, dass die angebotenen gefälschten Kleinbogen keinen Bogenrand besitzen. Dies liegt vielleicht am speziellen Zähnungsverfahren. Eventuell will man sich bei niedrigen Prodkuktionskosten auch keinen bedruckten Bogenrand leisten, da dieser kein Geld bringt. Die Post dürfte also große Schwierigkeiten haben diese Fälschung zu finden.

 

 

Nachtrag zum Artikel Fälschung Folienblatt 62 „Die Weser“

 

In der philatelie 516 vom Juni 2020 hatten die beiden Autoren erstmals über die Fälschung des Folienblatts „200 Jahre Dampfschiff„Die Weser““ berichtet. Nun wurden einem der Autoren vor kurzen ein sehr interessantes „TikTok“ Video zugespielt. Laut einer Sprachanalyse hat hier ein Weißrusse vermutlich im Grenzgebiet zur EU im Gebüsch einen sehr interessanten Fund gemacht. Dort lagen schon teils durch Gras und Blumen überwachsen circa 300 bis 1000 Folienpackungen mit dem Inhalt von jeweils 50 Folienblättern obiger Marke im Gebüsch.

 

Zwei Bildschirmfoto aus dem TikTok Video vom Fund der Folienblätter „200 Jahre Dampfschiff „Die Weser““
Zwei Bildschirmfoto aus dem TikTok Video vom Fund der Folienblätter „200 Jahre Dampfschiff „Die Weser““

Das Video soll scheinbar am 4. September in Weißrussland gedreht worden sein. Vermutlich wurde die damals vorgestellte Fälschung tatsächlich in Weißrussland hergestellt. Eine erste Teilcharge erreichte Deutschland 2020 und wurde hier auch vertrieben und mehr oder weniger erfolgreich verkauft. Die zweite Charge muss scheinbar auf dem Weg nach Deutschland im Grenzgebiet zur EU weggeworfen worden sein, damit die Schmuggler nicht mit entsprechenden belastbaren Material erwischt wurden. So geriet diese hergestellte beziehungsweise weggeworfene Menge in Vergessenheit, bis sie vor Kurzem von einem Sondengänger, auf der Suche nach Metall und Orden aus dem 2. Weltkrieg auf einer Wanderung dort im Gebüsch gefunden wurde. Auf das Video erfolgten schon verschiedene Antworten in Kyrillisch, aber auch auf Deutsch, mit dem Angebot dieses Material für 1500 Euro inklusive Portokosten zu kaufen. Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Fälschungen wieder in Deutschland auftauchen. Das es sich bei den dort im Video gezeigten Verpackungen um Fälschungen handelt, kann nur ein Fachmann eindeutig anhand des Bildmaterials erkennen.