Digitalisierungsoffensive der Deutschen Post – Briefmarken nur noch mit Matrixcode
(erscheint in der Zeitschrift philatelie 514 - April 2020 - Vorabveröffentlichung)
Am Dienstag den 3. März hatte die Deutsche Post zu einer Pressekonferenz und Produktpräsentation „Neue digitale Produkte und Services für Briefe und Pakete“ nach Berlin eingeladen. Die dort vorgestellten Fakten sollen alle in den nächsten zwei Jahren in die Praxis umgesetzt werden. Die Folgen für die Philatelie und Postgeschichte sind teilweise sehr weitreichend und revolutionär, auch wenn die Überschriften dazu recht harmlos klingen: „Sendungen frankieren“, Sendungsankündigung erhalten“, Sendungen verfolgen“ und „Sendungen empfangen und versenden“. In diesem ersten Artikel zu dieser neuen Thematik sollen nun die ersten Fakten dazu vorgestellt werden. Der Schwerpunkt wird dabei aber eher auf dem Briefbereich liegen, da dies die Sammler deutlicher betrifft als der Paketbereich.
Sendungen frankieren
Unter diesem Punkt wird im Paketbereich die Mobile Paketmarke und Mobile Retoure genannt. Diese Option ist derzeit schon einige Zeit im Angebot über die DHL Paket App oder die Variante der DHL-Online-Frankierung, wo man alternativ auch einen QR-Code für den Schalter oder den DHL-Zusteller erhält. Dieser druckt dann die entsprechende Freimachung aus, klebt sie auf die Sendung und die Reise des Paketes beginnt.
Die Mobile Briefmarke ist unter dem bisherigen Begriff „Handyporto“ oder „Handymarke“ seit dem 15. August 2008 bekannt (siehe philatelie 376 – Oktober 2008). Der Haken bei der bisherigen Handymarke ist, das hier hohe Zusatzkosten für den jeweiligen Telekomprovider für den Versand einer SMS anfallen, die dieses Produkt unattraktiv machen. Außerdem ist der Aufwand bei der Post größer, denn der neunstellige Zahlencode muss zu einem speziellen Arbeitsplatz ausgeschleusst und dort nachbearbeitet werden. Dort wird dann derzeit nach erfolgreicher Prüfung des Codes ein zusätzliches Label Handyporto mit einem Postmatrixcode aufgeklebt.
Es wird daher seit Jahren eher als sehr seltenes Nischenprodukt geführt. Ende des Jahres 2020 soll diese bisherige Handymarke durch die Mobile Briefmarke abgelöst werden, bei der keine Zusatzkosten mehr für den Provider anfallen. Die Abwicklung und Bezahlung erfolgt dann über eine entsprechende App. Die Nutzung der „Mobilen Briefmarke“ ist dabei denkbar einfach: Kunden müssen lediglich per App das gewünschte Porto anfordern und online bezahlen, daraufhin erhalten sie einen mehrstelligen alphanumerischen Code, den sie handschriftlich statt einer Briefmarke rechts oben auf die Postkarte oder den Briefumschlag schreiben müssen.
Damit ist die Sendung frankiert und kann in den Briefkasten eingeworfen werden, woraufhin sie ganz normal über die Deutsche Post an den Empfänger zugestellt wird. Eine weitere interne Ausschleussung und Nachbearbeitung bei der Post mit einem zusätzlichen Label soll scheinbar auch entfallen. Soweit erste Fakten zu diesem Teilaspekt der Digitalisierung.
Nachträgliche Ergänzung - Scan Postinfos Kurzfassung dazu:
Sendungsankündigung erhalten
Letztes Jahr (2019) hatte die Deutsche Post in einem Pilottest mit 500 Kunden den neuen Service „Briefankündigung per E-Mail“ auf den Emailplattformen von GMX und Web.de erfolgreich getestet. Dabei werden Empfänger unter Einhaltung der hohen deutschen Datenschutz- und Sicherheitsstandards unmittelbar in ihrem GMX und Web.de Postfach über demnächst ankommende Briefsendungen informiert. Die Umschläge der Sendungen werden in den Briefzentren der Deutschen Post fotografisch erfasst und auf Wunsch des Empfängers per E-Mail an sein Postfach gesendet.
Die physischen Sendungen verbleiben im herkömmlichen Sortierprozess und werden wie gewohnt an die Hausanschrift des Empfängers zugestellt.
Das die Briefsendungen fotografisch erfasst werden, ist in Fachkreisen schon eine Weile bekannt. Diese Sendungsbilder werden für verschiedene Zwecke genutzt. Einer dieser Zwecke ist die nachträgliche Codierung und Sendungssteuerung, wie die Hersteller der Sortiermaschinen auf entsprechenden Fachmessen berichten. Aufbauend auf diesen Prozessen sollen zukünftig weitere Optionen angeboten werden. So sollen Empfänger in einem nächsten Schritt die zusätzliche Möglichkeit erhalten, digitale Abbilder auch der Briefinhalte per sicherer und verschlüsselter E-Mail zu empfangen. Somit können Kunden eingehende Briefe schon vorab und mobil auf dem Smartphone lesen, bevor sie physisch in ihrem Briefkasten zugestellt werden. Auch bei diesem Service, der für 2021 geplant ist, ist Voraussetzung, dass der Empfängerkunde explizit einwilligt und die Deutsche Post beauftragt, soweit zur Sendungsankündigung.
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Sendung verfolgen
In diesem Abschnitt betrachten wir zuerst kurz das neue „Live-Tracking von Paketen“. Die derzeitige Sendungsankündigung nennt noch ein größeres Zeitfenster, im dem die Zustellung erfolgen soll. Wie bei einigen anderen Paketdiensten schon üblich, soll dieses große bisherige Zeitfenster nun deutlich verkleinert werden. Als erstes erhält der Kunde am Zustelltag ein 60 bis 90 minütiges Zeitfenster genannt. Weiter soll er dann eine weitere Ankündigung 15 Minuten vor Erhalt der Sendung erhalten. Mithilfe eines GPS-basierten Live-Trackings in der DHL Paket App und in der Online-Sendungsverfolgung kann der Kunde sehen, wie viele Stopps der Zusteller noch zu fahren hat, bevor er an der Haustür klingelt. Falls er nicht zu Hause sein sollte, kann er jetzt noch die Option Wunschort oder Wunschnachbar anpassen. Dies ist aber nicht neu, den die Konkurenz wie beispielsweise DPD und GLS bieten diesen Service schon eine Weile an.
Die Sendungsverfolgung für Briefe klingt harmlos, hat aber für Postgeschichtler und Sammler die meiste Sprengkraft beziehungsweise bringt die größten Änderungen seit langem. Künftig sollen alle Frankierungen auch Briefmarken, einen Matrixcode beinhalten, der eine bessere Nachverfolgung gewöhnlicher Briefe ermöglicht und damit eine noch wirksamere Qualitätssicherung des Brieftransports gewährleistet.
Briefmarken mit einem Matrixcode sind fälschungssicher und haben noch einen weiteren Vorteil für die am Kulturgut „Postwertzeichen“ interessierten Kunden. Sie können mit zusätzlichen Informationen zur Briefmarke aufgeladen oder mit weiterführenden Links im Internet versehen werden (beispielsweise mit Hintergrundinformationen zum Motiv selbst und entsprechenden Fakten, die der Herausgeber, das Bundesfinanzministerium auch veröffentlicht).
Damit diese Technik funktioniert, wurde ja Ende 2017 die sogenannte Frankier-ID eingeführt, ein 20-stelliger Hexadezimalcode. Dieser besteht in der Regel aus einer 10-stelligen Kennung (eine Art Maschinennummer) und eine 10-stelligen Zählnummer inklusive Prüfziffer.
Ein weiterer wichtiger Baustein dieser Vorversuche war der zeitweilige Pilot mit Automatenmarken mit Matrixcode von Ende 2018 bis Juni 2019 (siehe philatelie 500 und 502 vom Februar 2019 und April 2019). Die Frankierung mit Matrixcode ist fälschungssicherer und gewährleistet, dass Postwertzeichen nicht mehrfach verwendet werden können.
Denn die Fälschung, Waschung (das chemische Entfernen von Tintenstrahlentwertungen) und Wiederverwendung von Postwertzeichen ist ein massiv wachsendes Problem für die Deutsche Post und andere Postgesellschaften (beispielsweise Grossbritannien). Seit der Euroeinführung sind derzeit circa 70 verschiedene Fälschungen zum Schaden der Post alleine in Deutschland bekannt. Über einige davon wurde ja auch hier in der philatelie immer wieder berichtet (beispielsweise auch in dieser Ausgabe über die Fälschung der 144 Cent SWK – Beethoven-Haus (Business-Bogen)).
Auf der Pressekonferenz in Berlin wurden auch schon die ersten Muster solcher neuen Marken mit Matrixcode vorgestellt. Zu sehen waren dort die 70 Cent Marke Grüffelo, die 70 Cent Marke Regenbogenfragment und die 80 Cent Marke Pippi als nassklebender Zehnerbogen mit Matrixcode.
Weiter wurde noch das 80 Cent Motiv Neuschwanstein mit Matrixcode gezeigt, das auf einem Brief klebte. Wie man den Motiven entnehmen kann, dürfte allerdings die Entscheidung alle Briefmarken mit Matrixcode zu versehen, schon vor der Philatelieumfrage vom November 2019 gefallen sein (siehe philatelie 511 – Januar 2020). Wann und wie die Einführung erfolgen soll, oder ob es dann beispielsweise von den Dauermarken Blumen auch noch welche mit Matrixcode gibt, wird sich in nächster Zeit sicherlich noch zeigen. Weitere Fragen über die Gültigkeitsdauer der alten und der neuen Marken müssen auch noch geklärt werden. Es wird also in naher Zukunft sehr spannend in mehrfacher Hinsicht werden.
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Sendungen empfangen und versenden
Das die Packstationen, die erstmals schon im Juni 2003 hier in der Zeitschrift vorgestellt wurden (siehe philatelie 312 – Juni 2003) und die 2012 ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert hatten (siehe philatelie 417 – März 2012) eine Erfolgsgeschichte ist, dürfte fast jedem bekannt sein. Weltweit wird dieses Konzept in etwas unterschiedlicher Form vor allem in Industrieländern eingesetzt. Dieses System soll von derzeit 4.500 Standorten mit 450.000 Fächern auf über 7000 Packstationen bis 2021 steigen. Dies dürfte aber immer noch nicht das Ende des Ausbaus sein.
Nun soll dieses System gerade im ländlichen Bereich ab Ende 2021 um eine weitere Variante ergänzt werden: „Post & Paket 24/7“. Hier kann man dann bargeldlos Brief- und Paketmarken kaufen und einliefern. Damit sollen diese Stationen dem Leistungsangebot einer kleinen Postfiliale entsprechen.
Dieses Konzept gab es allerdings schon einmal vor einigen Jahren in anderer Form. Damals gab es zusätzlich zur Packstation noch einen ATM Münzwertzeichendrucker und einen Briefkasten, der im Prinzip den selben Service erfüllte, wie die nun geplanten neuen Geräte, nur halt technisch den aktuellen Dingen angepasst, wie beispielsweise bargeldlos zahlen. Ob man hier dann auch Einschreiben aufgeben kann, wird sich zeigen.
Im Bereich der Briefannahme aber auch teils in Verbindung mit der Annahme von Paketen gab es ja schon etliche Versuche bei der Deutschen Post wie das ABAS-System (Automatisches Briefannahmesystem), ein Postautomat für die Annahme von Briefen und Paketen von der Firma Samkyung, der 2002 auf den Posttagen vorgestellt wurde oder der Briefstation mit Versuchen in Köln 2005 und später in Frankfurt, der aber schon kurze Zeit später wieder eingestellt wurde.
Sicherlich wird es hier zu dem neuen System mit fast bekannten Namen noch erste Pilotversuche geben, bevor diese dann endgültig flächendeckend in ganz Deutschland zu finden sein werden.
Wie ein Foto eines Gerätes von der Pressekonferenz zeigt, befindet sich in der Mitte der Touchsreenmonitor, über den der entsprechende Dialog gesteuert wird, rechts befindet sich ein Kartenleser für bargeldloses Zahlen. Unter dem Bildschirm ist das Ausgabefach für die Brieflabel oder Paketmarken und Quittungsbelege. Darunter befindet sich ein Briefkasten.
Die Brieflabel werden vermutlich als eine Art Produktmarke ein fast identisches Design zu einer Internetmarke besitzen.
Nachträgliche Ergänzung dazu - Scan Postinfos Kurzfassung dazu:
Resümee:
Die Pressekonferenz in Berlin hatte es also in mehrfacher Hinsicht postgeschichtlich in sich, den die hier erfolgten Ankündigungen haben im Bereich der Philatelie weitreichende Folgen. Die Frage ist dabei nicht, kommen diese Dinge oder nicht, sondern wie und wann kommen Sie und welche weiteren Folgen könnten damit verbunden sein, an die man derzeit noch nicht denkt oder diese vermutet. Auf alle Fälle werden die nächsten Monate sehr spannend und vielfältig werden und es werden sich interessante neue Sammelgebiete entwickeln.