Fälschung 270 Cent Habichtsraut
Coautor - Bernd Hanke
(erscheint in philatelie 560 - Februar 2024)
Am 9. November erhielt einer der Autoren von einem Informanten die Meldung, dass es die 270 Cent Blumenmarke mit dem Motiv „Habichtskraut“ als Fälschung geben würde. Als dann einige Tage später die Marken im Original vorlagen, bestätigte sich dieser Verdacht. Es handelte sich bei der Vorlage um einen nassklebenden Kleinbogen, allerdings ohne Ober- und Unterrand. Weitere Recherchen folgten. Bei eBay fand der Autor ein weiteres verdächtiges Angebot. Es folgte eine Testbestellung von dieser Quelle.
Die Lieferung und das zugesandte Material zeigten weitere interessante Fakten, die alle nach China zu einer der dortigen großen Fälscherwerkstätten führte. Besonders interessant war dabei die Feststellung, dass die Perforation von der Rückseite mittels eines fein fokussierten Laserstrahls in das Papier geschnitten wurde. Weitere Untersuchungen von älteren Fälschungen (nassklebende Kleinbogen 145 Cent Schwertlilie) wiesen dieselben Merkmale auf. Diese Fälscherwerkstatt scheint also schon längere Zeit auch deutsche Briefmarken zu fälschen.
Im folgenden Artikel wird nun diese aktuelle Fälschung 270 Cent Habichtskraut vorgestellt. In einem separaten Artikel in derselben Ausgabe werden die älteren Fälschungen des nassklebenden Kleinbogens 145 Cent Schwertlilie mit den identischen Spuren der Laserperforation vorgestellt.
Der Vertrieb
Ein Teil dieser nassklebenden Kleinbogen 270 Cent Habichtskraut wurde Frankaturwarehändlern als 10er Bogen mit links und rechts anhängenden EAN-Feld, aber ohne Ober- und Unterrand angeboten.
Die gleiche Ware, allerdings mit Ober- und Unterrand wurde, über eBay angeboten. Wie bisher auch, ist der Anbieter ein angeblich gewerblicher Händler, der allerdings wenige Bewertungspunkte aufweist. Der Anbieter hat im Laufe seiner Verkaufsaktivitäten von Anfang November bis Anfang Dezember zwar nicht seinen eBay Namen geändert, dafür aber seinen Wohnort, statt in Sachsen-Anhalt wohnte er zum Schluss in Bayern. Weiter bot dieser Anbieter zwischenzeitlich auch die schon bekannte Folienblattfälschung 80 Cent Kapuzinerkresse per fünf oder zehn Folienblättern zu günstigen Konditionen an. In diesem Preis war auch ein Versand mit Sendungsverfolgung enthalten.
Die Ankunft der Testbestellung war sehr aufschlussreich. Verpackt war die Ware (der nassklebende komplette Kleinbogen) in einer Plastikfolie, die mit einen wesentlich kleineren Pappkarton verstärkt war. Der Umschlag hatte das typische Aussehen von Sendungen aus China. Die Lieferung wurde durch DHL als Paket zugestellt. Unter dem oberen Paketlabel von DHL laut Absender aus Köln, laut Sendungsverfolgung aus Bremen befand sich das erste Versandlabel von Postlink, einer Firma aus Singapur, die sich auf die Kommissionierung und den Versand von Waren aus Asien spezialisiert hat.
Weder auf dem Label aus Singapur noch auf dem DHL Label war eine Wertangabe der Sendung vorhanden. Eine Verzollung beziehungsweise Berechnung der Mehrwertsteuer ist also nicht erfolgt. Es ist schon sehr erstaunlich, das eine Sendung aus Großbritannien mit einem Warenwert von 3 Euro mit Mehrwertsteuer belegt wird, während solche Sendungen aus Singapur oder China über DHL hier nicht belangt werden. Es wäre hier mal interessant zu erfahren, wie dies rechtlich ordentlich zugeht?
Wie bei diesen Fake-Anbietern zu erwarten war, wurde der eBay Account nach dem Verkauf von 162 Transaktionen geschlossen. Eine mögliche negative Bewertung wegen der Lieferung von gefälschten Briefmarken ist so nicht mehr möglich. Weiter kann der Käufer den Verkäufer auch nicht mehr haftbar machen und sein Geld zurück fordern. Er bleibt also auf dem Schaden sitzen. Wenn wir bei den 162 Transaktionen von 100 Fällen „Habichtskraut“ ausgehen, die durchschnittlich jeweils fünf Mal gekauft wurden, so dürften hier circa 5000 Fälschungen unterwegs sein.
Die restlichen 62 Transaktionen werden hier dem Verkauf der gefälschten Folienblättern Kapuzinerkresse zugeordnet. In einigen Wochen dürfte diese Ware aber wieder unter einem anderen eBay Account mit etwas anderer Beschreibung auftauchen. Dieses Spiel haben die Autoren bezüglich der zwei Rollenmarkenfälschungen „Alpenveilchen“ und „Buschwindröschen“ seit über einem Jahr beobachten können.
Die Druckdetails
Die echten Marken wurden im Offsetdruck mit Gelb 0 Grad, Cyan 75 Grad, Magenta 45 und Schwarz 15 Grad gerastert hergestellt. Die chinesischen Fälscher haben nur bei der schwarzen Farbe anders gearbeitet, diese wurde ungerastert eingesetzt. Zusätzlich wurde eine Lackierung mit 75 Grad genutzt, in der sich die UV-Pigmente befinden. Die Gummierung wurde auch mittels Druckverfahren auf der Rückseite aufgetragen.
Betrachten wir nun als erstes die rechte untere Ecke, um hier zu prüfen, wie der immer vorhandene Bildrahmen in der Praxis umgesetzt wurde. Bei Original sieht man eine typisch deutlich erkennbare Rahmenlinie um das Markenbild. Diese wird bei der Blumendauerserie öfters mit einer Sonderfarbe, die auch für den Wertaufdruck und die Landesangabe genutzt wird, gedruckt.
Dass könnte auch im Fall der 270 Cent Habichtskraut so sein (Braun-Rot). In der rechten Linie findet man zusätzliche Einlagerungen von Rasterpunkten in Cyan, was einen schwarzen Anteil hervorruft.
Die Fälscher haben hier mit einer roten Rahmenlinie oben und links mit darüber hinausgehenden Rasterpunkten in Cyan gearbeitet. Bei der Rahmenlinie rechts und unten ist allerdings mit ungerasterter schwarzer Farbe mit zusätzlichen sichtbaren Rasterpunkten in Gelb und Magenta gedruckt worden.
Weitere Unterschiede lassen sich immer an Bildelementen der Blüte und des Blumenstiels erkennen. Bei der echten Marke wird ein zusätzliches schwarzes Raster eingesetzt, um die ausgeführte Blüte detailliert darstellen zu können. Aufgrund der hohen Farbdichte reagiert die Mitte der Blüte allerdings nicht auf Infrarot-Licht.
Bei der Fälschung ist dies zwar ähnlich, aber die Details sind, wie so oft, nicht so deutlich erkennbar. Statt schwarzer Farbe wird hier mit Cyan gearbeitet. Dies kann man auch beim Blumenstiel erkennen. Während der echte Stiel durch unterschiedliche Punktstärken in den Rasterlinien von Schwarz herausgearbeitet wurde, ist dies bei der Fälschung nicht der Fall.
Den typischen Fehler bei Blumenfälschungen können wir auch hier wieder leicht mit einer guten Lupe feststellen. Wie schon oft erwähnt, besitzt bei jeder Blumenmarke der Name der Blume eine sehr dünne feine schwarze Linie zur Abgrenzung des Buchstabens vom restlichen Motiv. Dies ist bei dem vorliegenden Original gut zu sehen.
Der Blumenname ist innerhalb der Buchstaben sauber, es gibt nur gelegentliche Einlagerungen am Rand durch Rasterpunkte in Cyan. Deutlich ist die schwarze Umrandung zu erkennen. Bei der Fälschung hingegen hat man sich nicht besonders angestrengt. Innerhalb der eigentlich weißen Buchstaben sind Rasterpunkte der Farben Magenta und Gelb auf der linken Seite und Cyan auf der rechten Seite zu sehen. Die schwarze Farbe für die Rahmenlinie wurde weggelassen. Daher wirkt die Schrift schon mit bloßen Auge etwas unscharf.
Weitere Erkenntnisse zeigen sich bei den Blumenmarken manchmal auch bei der Wertangabe und dem Landesnamen. Diese wurden beim Original vermutlich in der Sonderfarbe „Braun-Rot“ ohne Rasterung zusammen mit dem Rahmen gedruckt. Es gibt keine sichtbare Differenzierung zu den Einzelfarben Magenta und Gelb.
Bei der Fälschung kann man im Bereich der Buchstaben des Ländernamens rote Rasterpunkte erkennen. Brauntöne sind hier nicht zu erkennen. Zusätzlich sieht man auf den umliegenden weißen Flächen gelbe Rasterpunkte. Weiter ist die darüber liegende gerasterte Lackierung für die UV-Partikel zu sehen. Zusätzlich sind die Serifen der Buchstaben sind bei der Fälschung etwas spitzer.
Die Sicherheitsmerkmale UV und Seltene Erden
Die echten Marken zeigen eine kräftige gelbe Reaktion auf UV-Licht mit 365 Nanometer. Bei der Fälschung dagegen ist die Reaktion auf UV-Licht mit 365 Nanometer sehr schwach ausgeprägt, obwohl sich die UV-Pigmente in einer abschließenden aufgetragenen Lackierung befinden. Die Rasterung der Lackierung liegt bei 45 Grad und ist gut zu sehen.
Die Infrarot-Pigmente befinden sich in der gelben Farbe. Bei der Fälschung wurden keine Seltenen Erden verwendet, daher gibt es keine Reaktion auf IR-Licht mit 980 Nanometer.
Die Zähnungslöcher
Wie in vielen Artikeln schon beschreiben werden die echten Marken mittels Schleifperforation hergestellt. Die echten Vergleichsmarken weisen diesbezüglich auf der Rückseite deutliche Spuren auf. Erstaunlicherweise sind einige der Löcher auch etwas unrund.
Da bei der Herstellung der Perforation der Fälschung mittels Laserschnitt unsauber gearbeitet wurde, ist diese Technik bei dieser Fälschung an einigen Stellen deutlich nachweisbar. Die Zähnungslöcher werden dabei mit einem Laserstrahl von der Rückseite her ausgeschnitten. Dazu müsste der Laserstrahl immer möglichst sauber im Kreis geführt werden. Weiter müssten die Prozessparameter so eingestellt sein, das beim Verdampfen des Papiers keine „Brandspuren“ am Lochrand entstehen.
Diese Prozessführung benötigt aber etwas mehr Sorgfalt und vor allem Zeit. Dies war den chinesischen Fälschern scheinbar nicht so wichtig, solange alles auf dem ersten Blick gut aussieht. Man kann daher bei entsprechender Vergrößerung öfters deutliche unrunde Löcher finden.
Wird der Laserstrahl aus Versehen nicht exakt einmal um 360 Grad geführt, kann man entsprechende Papierreste in diesem Stanzloch finden, die von der Seite wie ein Schattenwurf eines Baumes aussehen. Von hinten ist dabei besonders schön zu sehen, das der Laserstrahl das Papier nicht ganz verdampft hat, so dass dieser scheinbare Stamm des Baums nur einen Hauch der normalen Dicke des Papiers aufweist.
Zusätzlich sind beim Betrachten von vorne auf den weißen Flächen gelbe Rasterpunkte und das Raster der Lackierung erkennbar. Die Rückseite zeigt hier ein deutliches Raster, das von der gedruckten Gummierung stammt.
Die Benutzung
Wie schon bei der Fälschung 270 Cent Ärzte ohne Grenzen in der philatelie 559 – Januar 2024 erwähnt, muss diese neue Fälschung bei portogerechter Verwendung als Maxibrief mit einer zusätzlichen 5 Cent Marke versehen werden. Da im Maxibriefbereich aber keine maschinelle Erkennung bezüglich der UV-und IR-Eigenschaften in der Handsortierung bekannt ist, dürfte die Entdeckung dieser Fälschungen nicht sehr einfach sein. Wenn sie mal gefunden werden sollte, dürfte es eher ein um einen Zufallsfund handeln.
Resümee
Aufgrund der Vertriebsstrategie der chinesischen Fälscher, dürfte es also nur eine Frage der Zeit sein, bis hier neue eBay-Verkäufer auftauchen, um nach kurzer Zeit und entsprechenden Verkäufen wieder zu verschwinden. Das Aufspüren dieser Fälschung bei der Post wird eher eine Glückssache sein.
Besonders interessant ist aber das Perforationsverfahren mit dem Laserstrahl. Die Besonderheit dieser speziellen Technik wird zukünftig helfen, neue nassklebende Fälschungen eindeutig dieser chinesischen Fälscherwerkstatt zuordnen zu können.
Mal sehen wann hier die nächste Fälschung aus dieser Produktionsstätte auftaucht? (Nach Fertigstellung dieses Artikels wurde den Autoren eine ganz aktuelle noch nicht verifizierte Meldung zugeschickt, das es fünf weitere neue deutsche Fälschungen sogar mit Matrixcode aus dieser Produktionsstätte geben soll – sollten diese Fakten stimmen, werden wir selbstverständlich in der nächsten philatelie darüber berichten).