Gefälschte "Illustris-Simulation"

Coautor - Bernd Hanke

(erscheint in philatelie 554)

 

Am 18. Dezember 2018 erschien in einer Auflage von knapp 3,2 Millionen Marken die nassklebende 145 Cent „Illustris-Simulation“ im Rahmen der Serie „Astrophysik“. Knapp 4,5 Jahre später hat ein Sammler beim Abweichen und Sortieren seiner Briefmarken eine solche Marke mit etwas abweichenden Bildmotiv gefunden. Er postete diese Meldung auf „philaseiten.de“ mit dem Verdacht, das es sich um eine Fälschung handeln könnte. In der Zwischenzeit hat diese Marke den Autoren zur genaueren Untersuchung vorgelegen. Es handelt sich hier tatsächlich um eine Fälschung, die allerdings in kleiner Auflage hergestellt worden sein dürfte. Im folgenden Beitrag wird diese Fälschung und ihre Unterschiede zu einer echten Marke genauer vorgestellt.

Oben eine echte postfrische Marke, unten die in der Kiloware gefundene Fälschung
Oben eine echte postfrische Marke, unten die in der Kiloware gefundene Fälschung

Betrachten wir dazu als erstes einmal die Fälschung im Vergleich zu einer postfrischen Marke. Dabei fällt auf, das das Bildmotiv etwas anders als das Original plaziert ist. Die Bildfläche selbst ist statt 40 x 22 Millimeter 41 x 23 Millimeter groß (also jeweils einen Millimeter in jede Richtung). Das Bildmotiv selbst zeigt die Dichte der dunklen Materie im simulierten Universum, zentriert auf einen massereichen Cluster und wird mit einem Geschwindigskeitsplot des vorhandenen Gases überlagert. Das Motiv stammt aus einem Übersichtsposter der gesamten Illustris-Simulation. Diese Daten sind frei zugänglich. Die Qualität der Fälschung ist schlecht. Die Bildfläche ist größer, als beim Original, dezentriert innerhalb der Perforation angeordnet und nach unten verschoben. Die Zähnung ist identisch 13 ½ x 13 ¼

Beim Vergleich der Zähnung fällt die etwas ungewöhnliche Form bei der Fälschung unten auf
Beim Vergleich der Zähnung fällt die etwas ungewöhnliche Form bei der Fälschung unten auf

Allerdings zeigt der Teilausschnitt der jeweiligen linken unteren Ecke, das die Zähnungslöcher der Fälschung etwas merkwürdig gezähnt sind. Die Geometrie erinnert an senkrecht angeordnete Langlöcher. Die Kanten sind ungleichmäßig. Die schnellste und einfachste Prüfung, ob es eine echte Marke oder Fälschung ist, ist die Betrachtung unter UV-Licht mit 365 Nanometer.

Oben sieht man eine echte postfrische Marke unter UV, unten die Fälschung mit leichten Resten von Fluoreszenz (grüne Pfeile) und Beschädigungen (orangene Pfeile)
Oben sieht man eine echte postfrische Marke unter UV, unten die Fälschung mit leichten Resten von Fluoreszenz (grüne Pfeile) und Beschädigungen (orangene Pfeile)

Hier sieht man sofort, das es sich tatsächlich um eine Fälschung handelt, denn die gefälschte Marke leuchtet fast nur bläulich. Allerdings ist in Resten an wenigen Stellen speziell am weißen Rand etwas Fluoreszenz erkennbar (grüne Pfeile). Ob dies am Abweichprozeß gelegen hat, kann nicht eindeutig gesagt werden, denn es gibt auf der Bildfläche auch entsprechende Beschädigungen, die unter UV-Licht erkennbar sind (orangene Pfeile). Da die Marke scheinbar keine Gummierung hatte beziehungsweise mit Klebstoff aufgeklebt war und beim Abweichen noch nicht bemerkt wurde, das es sich um eine Fälschung handelte, wurde hier mit einem gewissen Aufwand versucht diese doch möglichst ordentlich abzuweichen. Dabei ist die Marke scheinbar etwas beschädigt worden, denn das Papier ist sehr dünn gerubbelt und die Marke selbst hat dadurch gewisse Beschädigungen erhalten, sie wurde aber glücklicherweise nicht zerstört. Egal wie man eine echte Marke abweichen würde, hier wären solche Effekte auf keine Fälle in dieser Form sichtbar. Ein Prüfung mit 980 Nanometer (Infrarot) auf „Seltene Erden“ zeigt keine Merkmale.

 

Während das Original im Vier-Farben-Offsetdruck mit Gelb 0 Grad, Cyan 15 Grad, Magenta 75 Grad und Schwarz 45 Grad hergestellt wurde, wurde die Fälschung im Vier-Farben-Digitaldruck mit den selben Winkeln gedruckt. Um hier die Unterschiede etwas besser zu veranschaulichen, betrachten wir als nächstes einige ausgewählte Bildpunkte.

Ein Mikroskopausschnitt vom Zentrum, links die echte Marke im Offsetdruck, rechts die Fälschung im Digitaldruck
Ein Mikroskopausschnitt vom Zentrum, links die echte Marke im Offsetdruck, rechts die Fälschung im Digitaldruck

Beim Original ist die Struktur der Rasterpunkte im Zentrum sehr gut erkennbar. Bei flächigen Abbildungen bilden die Rasterpunkte einen Punktschluss (Berührung an den Ecken) mit dem Effekt einer „Perlenkette“. In den Randbereichen der sehr dunklen Bildelemente ist die Zusammensetzung aus den einzelnen Rasterfarben zusätzlich zum schwarz erkennbar. Im Gegensatz dazu werden beim Digitaldruck (z.B. Ink-Jet, Bubble-Jet) keine definierten Rasterpunkte gebildet. Rasterpunktähnliche Gebilde werden durch viele feine Farbpunkte erzeugt. Es entstehen farbliche Ketten. In den sehr dunklen Bildbereichen wird zum Teil nur mit Schwarz gearbeitet. Darunter liegende Farben sind dann wegen der feinen Farbpunkte nicht erkennbar.

Detailausschnitt der Fälschung mit den kettenförmigen Linien des Digitaldrucks
Detailausschnitt der Fälschung mit den kettenförmigen Linien des Digitaldrucks
Detailaufnahme der Fälschung aus dem Randbereich, die sehr schön die sehr feinen Farbpunkte zeigt
Detailaufnahme der Fälschung aus dem Randbereich, die sehr schön die sehr feinen Farbpunkte zeigt

Die Schriftelemente in den teils unterschiedlichen Größen zeigen im Vergleich weitere teils deutliche Unterschiede. Fälscher haben dabei in der Regel oft bei sehr kleiner Schrift Schwierigkeiten, diese sauber nachzumachen. Dies zeigt hier besonders die Jahreszahl 2018, die bei der Fälschung selbst unter dem Mikroskop eher zu erahnen, als zu lesen ist.

Vergleich des Drucks der Jahreszahl – links die echte, rechts die falsche Marke
Vergleich des Drucks der Jahreszahl – links die echte, rechts die falsche Marke
Vergleich des Drucks der Wertziffer, links die echte Marke mit weißen Hintergrund und rechts die Fälschung mit ergänzenden Farbpixeln
Vergleich des Drucks der Wertziffer, links die echte Marke mit weißen Hintergrund und rechts die Fälschung mit ergänzenden Farbpixeln

Betrachtet man dabei die Wertziffer, so ist diese bei echten Marken oft sauber herausgearbeitet und der Hintergrund ist wie in unserem Beispiel weiß. Bei der Fälschung hingegen wurde die weiße Buchstabenfläche noch mit Rasterpunkten in Magenta und Cyan gefüllt. Sehr interessant ist bei dieser Fälschung die Plazierung des Namens „Illustris – Simulation“. Im Vergleich zum Original wurde die Schrift hier zum einen an eine ähnliche Stelle des Motivs gesetzt, zum anderen wurde diese Schrift nicht in der selben Positionierung zueinander angeordnet, wie die grünen Hilfsstriche in der folgenden Abbildung zeigen.

Ein Vergleich der Schrift – oben die echte Marke, unten die Fälschung jeweils mit grünen Hilfslinien gekennzeichnet
Ein Vergleich der Schrift – oben die echte Marke, unten die Fälschung jeweils mit grünen Hilfslinien gekennzeichnet

Zwar wurde die Form der Schrift im oberen Teil relativ identisch kopiert, bei der Landesbezeichnung waren die Abweichungen aber schon etwas größer und vor allem, wie die grünen Hilfsstriche zeigen, nicht exakt zueinander positioniert. Die Schrift wurde in eine ähnliche Vorlage in ähnlicher aber nicht exakter Form eingebaut. Eine zeitliche Zuordnung, wann diese Marke genutzt wurde, ist trotz der Stempelung leider nicht eindeutig zuordenbar, da die Stempelung auf diesem sehr dunklen Hintergrund nicht eindeutig erkennbar ist. Wäre diese Marke zumindest noch auf einem Papierausschnitt gefunden worden, wären hier vielleicht nähere Angaben möglich gewesen. Gefunden wurde diese Marke, wie anfangs erwähnt, erst im März 2023. Vielleicht findet ja ein Leser noch eine weitere Fälschung dieses Motivs?

 

 

Resümee

 

Wie man diesem Beispiel erneut entnehmen kann, ist also die Prüfung und Sichtung von Kiloware interessant und spannend. Man kann hier immer mal wieder tolle Funde machen, sei es eine Fälschung, die bisher nicht katalogisiert war oder Funde wie die vielen bekannten „Gescheidlemarken“. Denn dieser Fund ist vergleichbar mit dem in der philatelie 534 – Dezember 2021 geschilderten Fund der Fälschung „Für uns Kinder“, die auch erst etliche Jahre später endeckt wurde.

 

Daher sollte man selbst Marken, die auf den ersten Blick nicht gerade eine Luxuserhaltung versprechen, zumindest vor dem Entsorgen bezüglich der UV-Eigenschaften auf mögliche Besonderheiten prüfen. Neuerdings gibt es auch noch sehr interessante Funde bei der Kiloware bei den neuen Briefmarken mit Datamatrixcode zu melden, beispielsweise die 95 Cent Marke „Spidermann“, die dann beim Auktionshaus Felzmann für 2100 Euro versteigert wurde.