Krypto-Marke Deutschland: Die Praxis
(erscheint in philatelie 559 - Januar 2024)
Im Mai 2023 hörte der Autor auf der IBRA in Essen erstmals das Gerücht, dass die Deutsche Post in den Kryptomarkensektor einsteigen wolle. Die erste offizielle Ankündigung erfolgte erst Ende August 2023 mit dem Ausgabetermin 2. November 2023. Neben einer nassklebenden Marke (160 Cent) sollte es auch eine selbstklebende Kryptomarke geben. Diese sollte 9,90 Euro kosten, hat aber nur einen Frankaturwert von 1,60 Euro. Die Auflage würde angeblich nur 250.000 Stück betragen.
Weitere Details wurden nur schrittweise in einer „Salamitaktik“ präsentiert, vermutlich in der Hoffnung, so einen schnellen Verkauf sicherzustellen. Nun war aber am 1. November 2023 (ein Mittwoch) unter anderem in Bayern, wo sich die Versandstelle befindet, ein Feiertag (Allerheiligen). Zwar hatte man die nassklebenden Marken rechtzeitig an die Sammler für Ersttagsbriefe ausgeliefert, das sogenannte „Booklet“ mit der selbstklebenden Kryptomarke wurde aber erst ab Donnerstag dem 2. November 2023 verschickt.
Einige Kunden hatten Glück und erhielten diese Booklets am nächsten Tag, dem 3. November 2023 – dem tatsächlichen Ersttag der selbstklebenden Marke. Viele erhielten die Lieferung erst im Laufe des Samstags nach Schließung der Poststellen. Wer Pech hatte, erhielt die Lieferung allerdings am Dienstag dem 7. November 2023. Dieser total ungeschickt ausgewählte Ersttag bescherte den Sammlern also die ersten Probleme und erstes Chaos.
Dieses Durcheinander fing aber schon früher an. Zwar wurde anfangs schon mitgeteilt, das diese Kryptobriefmarke nicht im Abo geliefert würde und man sie ab dem 14. Oktober 2023 online mit einer Maximalmenge von fünf Stück pro Kunde bestellen könnte, aber dass es auch eine „Gold-Edition“ (Auflage 100 Stück) geben würde, kam nur durch Zufall ans Licht. Wie und wo man diese Gold-Edition bestellen könnte, wurde auch nur sehr mangelhaft und oft widersprüchlich mitgeteilt. Für die Gold-Edtion betrug der Verkaufspreis stolze 99,90 Euro, der Frankaturwert aber nur 3,20 Euro. Ausgeliefert wurde diese nach bisherigen Informationen erst ab 7. November 2023. Auslandskunden mussten über einen Dienstleister („MeineBriefmarke.de“) bestellen.
Während die nassklebende normale Marke in Weiden mit dem Ersttagsstempel gestempelt werden darf, dürfen die angeblich gleichen Briefmarken in der selbstklebenden Form nicht gestempelt werden. Bei anderen Ausgaben in nass- und selbstklebender Variante, gibt es diese Unterschiede nicht. Ist diese selbstklebende Kryptomarke also für die Versandstelle keine richtige Briefmarke?
Aufgrund vieler Nachfragen und Reklamationen änderte man dann im Laufe des Novembers hier bei der Stempelstelle die Meinung. Danach dürfen nun diese selbstklebenden Marken auch gestempelt werden. Laut ersten Abbildungen aus Händlerlisten werden hier sogar Ersttags-Einwurf-Einschreibebriefe mit Ersttagsstempel vom 2. November 2023 angeboten. Die Versandstelle hat hier also eine Rückdatierung der Ersttagsstempelung vorgenommen, denn an diesem Tag hatte ja noch kein Kunde seine Lieferung aus Weiden erhalten.
Damit aber noch nicht genug an Merkwürdigkeiten und Widersprüchen. Laut aktuellen Stand bei Redaktionsschluß wird Michel der selbstklebenden Marke, die nicht im Abo geliefert wird, eine eigene Hauptnummer geben und außerdem als Markenheftchen MH 127 katalogisieren. Die Versandstelle beliefert also ihre Kunden nicht komplett! Anscheinend sollen die Sammler, die diese selbstklebende Marke nun zur Vervollständigung ihrer Sammlung benötigen, diese für stolze 9,90 Euro zusätzlich zu ihrem Abo kaufen. Weiter gibt es derzeit Aussagen, das dieses Booklet (Markenheftchen) in Weiden nicht gestempelt werden darf. Wie soll man dieses Verhalten der Post verstehen?
Die Krypto-Marke selbst
Wie schon an anderen Stellen ausführlich berichtet, handelt es sich beim Motiv um das Brandenburger Tor. Die nassklebende Auflage hat laut Angaben der Post eine Auflage von 800.000 Stück. Laut Meldungen von Mitte November soll diese Ausgabe schon ausverkauft sein. Die selbstklebende Marke (also das Booklet) hätte laut Post eine Auflage von 250.000 Stück, die zum selben Datenstand noch nicht ausverkauft ist. Die Betonung bei der Auflage des Booklets liegt hier auf hätte, den anhand der ersten schon im Internet registrierten Marken ist die Auflage derzeit bei mindestens 260.000 Stück.
Dazu müssen wir uns nun mit dem Kryptoteil näher befassen. Laut Post wäre alles ganz einfach, aber der Autor konnte sich nur mit Hilfe eines Sammlers mit Informatikkenntnissen registrieren. Das Booklet (Markenheftchen) besteht aus einem 4-teiligen Faltblatt auf Folienblattbriefmarkenpapier, das mit mit drei vermutlich selbstklebenden Klebepunkten versiegelt ist. Ob diese Klebepunkte mit der Zeit durchfetten, wird die Zukunft zeigen. Auf der Rückseite des Booklets befinden sich allgemeine Infos und unter anderem in englisch eine dreiteilige Gebrauchsanweisung zum elektronischen Sammeln. Auf der ersten Innenseite sind Angaben zum Startschuss einer neuen Krypto-Serie, es sollen also viele weitere Kryptomarken folgen.
Auf der zweiten Seite steht etwas zum ausgewählten Bildmotiv, das mittels künstlicher Intelligenz generiert wurde. Die dritte Seite enthält nun die selbstklebende Briefmarke mit Datamatrixcode. Unter der Marke steht die fortlaufende Nummer aus dem Datamatrixcode, die man auch über die Post&DHL App auslesen kann, wenn man diesen Matrixcode scannt und dann sich unter dem dortigen Link „Informationen zur Briefmarke“ die dortigen Daten anschaut. Auf der letzten Innenseite ist das scheinbar einfache Kochrezept, wie man nun den Kryptoteil nutzen kann.
Betrachten wir nun dieses Kochrezept genauer. Zuerst soll man den weiter unten zu sehenden QR-Code mit der Public-ID scannen oder über das Internet unter „deutschepost.de/kryptomarke“ gehen. Dort gibt es einen Link „Sammeln“, der einen zu einem Dienstleister (Ciphers.me) verbindet. Hier muss man sich beim ersten Besuch zunächst registrieren. Das geht noch einfach. Ist man schon registriert, muss man sich nun mit seiner Email und dem dafür vergebenen Passwort anmelden. Nun erscheint ein Bildschirm, mit der Info „Not claimed“, „Not minted“ sowie den letzten Teil der öffentlichen Public-ID. Darunter befindet sich ein Link „Deiner Sammlung hinzufügen“. Hat man diesen gedrückt, wird man aufgefordert, das Rubbelfeld mit der PIN freizulegen. Dies muss man aber nicht, eine starke Lampe von hinten hilft weiter.
Hat man die Daten richtig eingegeben, ist die Marke elektronisch erfasst (also „claimed“). Nun wird man über einen weiteren Link aufgefordert den dazugehörigen „NFT“ (englisch: non-fungible token – deutsch: nicht austauschbarer Wertgegenstand) zu erstellen. Die Marke wird nun als „Minted“ erfasst. Damit dies alles klappt, muss man sich aber noch bei einen anderen Dienstleister (Metamask) anmelden, damit man eine „Wallet“ besitzt. Bei dieser Anmeldung darf man keine Fehler machen, vor allem muss man sich das Passwort gut merken, denn sonst sind die „elektronischen Marken“ für immer verschwunden.
Im Rahmen der Erstellung der Wallet wird für eine Wiederherstellung der Wallet oder für die Nutzung von einem anderen neuen Smartphone ein 12-stelliger Zufallscode benötigt, den man sich auch gut merken muss, sonst hat man seine elektronische Sammlung für immer verloren. Eine weitere Hürde beim Erfassen ist die erstmalige richtige Verbindung der „Wallet“ mit „chiphers.me“ über „mit Web3 Wallet verbinden“. Erst danach wird es wieder einfach. Hier benötigte der Autor Hilfe, damit diese nötigen Grundlagen funktionieren.
Beim erfassen einer Krypto-Marke waren mit Datenstand 13. November 2023 gerade 2170 Transaktionen von 250.000 möglichen Transaktionen mit 1396 Besitzern erfasst. Bei einer Auflage von angeblich 250.000 Stück ein sehr geringer Prozentsatz. Interessant ist bei der Analyse dieser Daten aber, dass hier beispielsweise schon eine Marke mit der laufenden Nummer 258612 erfasst wurde, obwohl es ja angeblich nur 250.000 Stück geben sollte. Hier müsste die Post offen legen, wie viele Booklets bei der Produktion als Ausschuss aussortiert wurden und wie viele als Ersatz dafür produziert wurden! Interessant ist ferner, das hier schon am 2. November 2023 erste Marken und auch einige Gold-Editionsmarken erfasst wurden, obwohl ja an diesem Tag noch keine einzige selbstklebende Marke (geschweige den eine Gold-Edition) im Besitz eines Kunden war.
In einer separaten sehr versteckten Pdf-Datei unter dem Vermerk „Produktbeschreibung zur Kryptomarke – Brandenburger Tor“ gibt es weitere sehr wichtige Hinweise im Kleingedruckten auf Seite zwei. Danach wird nur bis Ende 2027 garantiert, das die NFT bei „Chiphers.me“ erfasst werden können. Alle bis dahin nicht erfassten NFT sind ab dem 1. Januar 2028 für immer verloren, ein neues Produkt mit sehr kurzer Lebenserwartung. Eine klassische Briefmarke existiert dagegen immer, solange sie nicht verbrannt oder weggeworfen wird. Es ergeben sich also auch hier noch vielfältige diverse Fragen und Merkwürdigkeiten.
Der elektronische Tausch oder Verkauf
Man kann diese Kryptomarken nun klassisch als Marke tauschen oder verkaufen, man könnte nun aber auch den digitalen Zwilling (das elektronische Bild) tauschen oder verkaufen. Laut philaseiten ist dies aber nicht so einfach, den dazu muss der Besitzer sich vorher bei einen weiteren Dienstleister anmelden und die passende Kryptowährung zur Durchführung der Transaktion erwerben.
Beim Verkauf über die Wallet bei „Metamask“ benötigt der Verkäufer die Währung „MATIC“, die er bei „Coinbase.com“ erwerben kann. Dazu muss davor aber auch hier eine Anmeldung erfolgen. Die Kosten sollen hier aber teurer sein, als wenn man alles über „Opensea“ (eine eBay für Kryptodinge) abwickelt. Allerdings ist eine vorherige Registierung auf dieser Plattform für den Verkäufer und möglichen Käufer erforderlich. Weiter wird hier eine andere Kryptowährung („Wrapped Ether“ (WETH)) benötigt, die man bei „Coinbase.com“ erhalten kann.
Wenn man dies alles richtig durchführt, hat man zwar den elektronischen Tausch oder Kauf vollzogen, die reale Marke hat aber noch keinen neuen Besitzer und könnte an einen anderen Sammler verkauft werden. Bei klassischen eBay selbst darf man laut deren AGB keine NFT handeln oder verkaufen, nur reale Briefmarken. Aus diesem Grunde wurden einigen Sammlern und Händlern schon deren Angebote gesperrt. Wo sich hier der neue Mehrwert für Sammler befindet, ist mir daher ehrlich gesagt, nicht ganz verständlich, aber vielleicht kann die Post ja hier mal einfache ausführliche Antworten geben, die auch jeder Sammler versteht?
Der Versand von Kryptomarken
Hier kann man derzeit zwei Optionen wählen, einen portogerechten Versand als Einzelfrankatur auf einen Großbrief (größer als das erlaubte Standard- und Kompaktbriefformat) oder eine Doppelfrankatur mit einem Standardbrief bis 20 Gramm als Einwurf-Einschreiben (85 Cent + 235 Cent = 320 Cent Gesamtporto). Dieser Postversand hat den Kunden nun aber 19,80 Euro inklusive Mehrwertsteuer für einen Teil der zwei benötigten Booklets gekostet. Ein normaler Postkunde wird diese Marke also nie für Frankaturzwecke nutzen.
Wählt man einen Großbriefversand mit Briefkasteneinwurf, so kann man in der Regel über die Handrollstempelung oder die Tintenstrahlentwertung durch die GSA (Großbriefsortieranlage) eindeutig den echten Transport nachweisen. Bei der Doppelfrankatur hat man außer der normalerweise vorhandenen Kodierung auch noch den Einlieferungsbeleg als Nachweis, wann die Sendung verschickt wurde.
Zusätzlich kann man sich zeitnah über die Post&Paketapp die Basissendungsverfolgungsdaten per Bildschirmfoto festhalten. Damit konnten auch schon die ersten Betrüger gefunden werden, die mittels Rückdatierung auf den 2. November 2023 einen angeblichen Ersttagsversand vorgaukeln wollten. Hier hatte eine Postagentur aus 42499 Hückeswagen beim Zurückstellen des Stempels mitgeholfen.
Da die komplette Innenseite des Markenheftchens (Booklets) aus selbstklebenden Briefmarkenpapier besteht, kann man statt der einzelnen Marke die komplette dritte Seite des Heftchens vorsichtig heraustrennen und auf einem Brief aufkleben. Es ist sogar möglich das komplette Innere aller vier Seiten auf einen Großbrief zu verkleben, allerdings muss man hier die vierte Seite an der Briefkante um die Ecke auf die Rückseite kleben.
Schleppender Verkauf
Die bisherigen Informationen zum Verkauf zeigen, das dieser sehr langsam verläuft. Am ersten Bestelltag, den Samstag den 14. November 2023 wurden laut Paketda gerade einmal 0,26% der Booklets verkauft. Als Konsequenz wurde diese Anzeige, die den schnellen Verkauf beflügeln sollte, gelöscht. Aber selbst am ersten Auslieferungstag war nur ein geringer Teil verkauft. Daher wurde das gewählte Limit auf fünf Booklets pro Besteller aufgehoben. Mitte November erhielt der Autor sogar Infos, das die bei philatelistischen Veranstaltungen auftretenden Eventteams Booklets zum Verkauf anboten. Sogar am 24. November, als der Autor diese Zeilen schrieb, konnte man die Kryptomarken noch in beliebiger Höhe kaufen. Wie weiter oben ja schon erwähnt, läuft die Registierung der NFT extrem schleppend und zäh. Nur eine kleine Anzahl der bisherigen Käufer hat sich hier anscheinend registriert und seine NFT erfasst.
Resümee
Das die Deutsche Post auf den fahrenden Zug „Kryptomarke“ aufgesprungen ist, hält der Autor für einen großen Fehler. Dies richtet nach bisherigen Befragungen von vielen Sammlern und Händlern in Ulm und zu anderen Anlässen danach eher einen großen Flurschaden, als einen kleinen Nutzen an. Dass so neue Sammler gefunden werden, konnte der Autor bisher nicht feststellen. Einige jüngere Sammler haben dies eher nur ausgenutzt um mit möglichst wenig Einsatz einen groben Einblick in das Thema „Krypto“ zu erhalten.
Die einzigen die an dieser Sache gut verdienen, sind die Hersteller dieser Marken und der entsprechenden nötigen Hintergrundtechnik zur Verwaltung dieser NFT und nebenher natürlich auch die jeweilige Postverwaltung, da dem Kaufwert fast nie ein realer Wert zur Frankierung 1 : 1 gegenüber steht. Während die ersten Briefmarken der Welt heute noch vorhanden sind, dürften viele oder alle NFT in 150 Jahren nicht mehr auffindbar sein, da sich die entsprechende Software-Technik bis dahin schon zigfach geändert hat und dann auch keine so alten Technologien mehr vorhanden sind, die dies belegen können. Die klassische auf Papier gedruckte Marke hingegen ist auch in weiteren 150 Jahren noch vorhanden, sofern sie nicht verbrannt oder zerstört wurde.