20 Jahre Öffnung der Zonengrenze
(erschienen in philatelie 389 - November 2009)
Die älteren Leser der Zeitschrift philatelie werden mit Sicherheit noch genau wissen, was der Begriff Zonengrenze bedeutet. Die jüngeren hingegen werden mit diesem Begriff wahrscheinlich nicht mehr so viel anfangen können. Gemeint ist die innerdeutsche Grenze, die sich über eine Länge von 1381 Kilometer mitten durch Deutschland zog.
Am 9. November 1989 fand die berühmt gewordene Pressekonferenz statt, in der in einem Nebensatz die sofortige Reisefreiheit der DDR-Bürger verkündet wurde. Wenige Stunden später standen viele Menschen vor den Grenzübergängen, um ihre neugewordene Freiheit zu testen. Aufgrund der Masse der Menschen wurde eine Grenzübergangsstelle nach der anderen geöffnet, die Mauer - oder wie die älteren Bürger immer noch sagen: die Zonengrenze - war offen. Dieser Artikel soll Anregungen aufzeigen, wie man diese Grenze postgeschichtlich und philatelistisch darstellen kann.
Einführung
Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Unterzeichnung der deutschen Gesamtkapitulation am 7. Mai im Hauptquartier der Westalliierten in Reims und deren Wiederholung am 8./ 9. Mai im sowjetischen Hauptquartier in Berlin Karlshorst bestätigte den Zusammenbruch der NS-Herrschaft und bedeutete auch das vorläufige Ende der deutschen Staatlichkeit. Auf der Konferenz in Potsdam vom 17. Juli bis 2. August 1945 wurde Deutschland in ein westliches und ein östliches Reparationsgebiet aufgeteilt. Das östliche bestand aus der sowjetischen Besatzungszone. Das westliche bestand aus den drei westlichen Besatzungszonen der Franzosen, der Briten und der Amerikaner mit Ausnahme des Saargebietes.
Anfangs war diese Grenze zwischen den verschiedenen Besatzungszonen noch einigermaßen durchlässig, die Ein- bzw. Ausreise im Bereich der sowjetischen Besatzungszone verhielt sich jedoch schon immer etwas komplizierter. Es gab zwar offizielle Möglichkeiten von einer auf die andere Seite zu gelangen, viele Menschen überquerten die Grenze aber heimlich. Dies nicht nur um aus dem sowjetischen Teil zu fliehen, sondern anfangs auch, nur um beispielsweise Fischkonserven von der Küste nach Thüringen zu schmuggeln und so in dieser Zeit zu überleben. Bis zum Jahre 1961 hatten allerdings auch über 3 Millionen Menschen die Flucht ergriffen. Einen weiteren Exodus hätte die DDR nicht lange überlebt. Aus diesem Grunde veranlasste Ulbricht im August 1961 den Bau der Berliner Mauer. Am 13. August 1961 begann in Berlin der schrittweise Aufbau der berühmten Mauer, die sich über eine Länge von 43 Kilometer durch die Stadt und 112 Kilometer im Umland von Berlin erstreckte.
Ab Oktober 1961 begann man auch schrittweise die restliche Zonengrenze mit Stacheldraht und Minenfeldern zu sichern. Die Grenzanlagen wurden im Laufe der Jahre immer weiter technisch verbessert und auf den neusten Stand gebracht.
Dies entwickelte sich bis hin zu Selbstschußanlagen, die das Ziel hatten, Flüchtlinge direkt zu töten. Der erste Tote, der von Grenzsoldaten bei der Flucht in Berlin erschossen wurde, war Peter Fechter. Allein an der Mauer in Berlin starben im Laufe der Jahre 136 Menschen.
Postalische Spuren der Mauer aus Westsicht
Ein schöner Einstieg in dieses Thema sind Ansichtskarten mit Darstellungen der Grenzanlagen. Es ist schon erstaunlich wie viele verschiedene Ansichtskarten aus all den Jahren existieren, die so einen interessanten Einblick - zumindest von der Westseite der Grenze her - zeigen. Allerdings habe ich bisher noch keine Ausstellungssammlung mit Postkarten über die innerdeutsche Grenze gesehen. Dazu folgen einige ausgewählte Karten, um einigermaßen anschaulich diese perfide Grenze darzustellen. Die erste Karte stammt von einer der wenigen Grenzübergangsstellen an der innerdeutschen Grenze in Helmstedt aus dem Jahr 1957 - also noch vor dem Bau der Mauer.
Eine weitere Karte zeigt den Potsdamer Platz nach dem Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961.
Die nächsten Karten zeigen sehr deutlich wie über Stock und Stein, Berg und Tal die Mauer quer durch Deutschland lief.
Noch während der Zeit der Besatzungszeit durch die Alliierten wurde die Grenze an einigen Stellen durch zweiseitige Absprachen korrigiert, um praktikable Lösungen zu erhalten. Beispielsweise verlief die Eisenbahnstrecke von Frankfurt nach Göttingen zwischen Kassel und Göttingen an einigen Stellen durch die sowjetische Besatzungszone. Daher kam es im Wanfrieder Abkommen vom 17. September 1945 zu einem Gebietsaustausch einiger Dörfer. Asbach, Sickenberg, Vatterode, Weidenbach/Hennigerode wurden sowjetisch, während Neuseesen und Werleshausen plötzlich im goldenen Westen wiederfanden. Dies auch anhand postalischer Spuren nachzuweisen ist oft sehr schwierig.
Die offiziellen Übergangsstellen der jeweiligen Besatzungszonen blieben über viele Jahre die einzigen Möglichkeiten die Grenze zu passieren. Zu diesen Möglichkeiten gehörte die Reise mit der Eisenbahn, wie es durch ein einfaches Beispiel verdeutlicht werden kann. Die Station Hönebach befand sich als letzter Bahnhof im Westen östlich von Bebra, auf der anderen Seite lag Gerstungen westlich von Eisenach. Anhand entsprechender Bahnpoststempel läßt sich nachweisen, wie der Zugverkehr durch die Teilung zusammengestrichen wurde und vorher durchgehende Hauptbahnlinien jeweils auf beiden Seiten gekappt wurden.
Die Westalliierten benutzten nicht nur die Straße und den Luftweg nach Westberlin, sondern auch die Eisenbahn über Helmstedt mit speziellen Militärzügen. Diese Züge nahmen spezielle Behördenpost von Westdeutschland nach Westberlin mit. Hier bestand keine Gefahr, daß die Post auf dem Weg von und nach Berlin durch die DDR kontrolliert wurde und dienstliche Unterlagen ausspioniert wurden. Dies läßt sich zeitweilig anhand entsprechender Briefe belegen.
Wenig bekannt ist, daß es auch Wasserstraßen gibt, die durch die Teilung betroffen waren wie beispielsweise der Mittelllandkanal. Hier lassen sich aber keine Spuren nachweisen.
Nachträgliche Ergänzung: Die 16 Grenzübergänge von Ost nach West von oben nach unten:
1. Lübeck-Schlutrup / Selmsdorf (Straße)
2. Lübeck / Herrnburg (Eisenbahn)
3. Büchen / Schwanheide (Eisenbahn - auch Transitstrecke nach Westberlin)
4. Lauenburg / Horst (Straße - auch Transitstrecke nach Westberlin)
5. Bergen (Dumme) / Salzwedel (Straße - nur kleiner Grenzverkehr)
6. Wolfsburg / Oebisfelde (Eisenbahn)
7. Helmstedt / Marienborn (Straße - auch Transitstrecke nach Westberlin)
8. Walkenried / Elrich (Eisenbahn - nur Güterverkehr)
9. Duderstadt / Worbis (Straße - nur kleiner Grenzverkehr)
10.Herleshausen / Wartha (Straße - auch Transitstrecke nach Westberlin)
11. Bebra / Gerstungen (Eisenbahn - auch Transitstrecke nach Westberlin)
12. Eußenhausen / Meiningen (Straße - nur kleiner Grenzverkehr)
13. Rottenbach / Eisfeld (Straße - nur kleiner Grenzverkehr)
14. Ludwigsstadt / Probstzella (Eisenbahn - auch Transitstrecke nach Westberlin)
15. Rudolfstein / Hirschberg (Straße - auch Transitstrecke nach Westberlin)
16. Hof / Gutenfürst (Eisenbahn - auch Transitstrecke nach Westberlin)
Ganz anders sieht es bei den Straßenverbindungen aus. Getrennt wurden drei Autobahnen, 31 Bundesstraßen, 80 Landstraßen erster Ordnung, 60 Landstraßen zweiter Ordnung sowie viele tausende öffentliche Gemeindewege und private Wirtschaftswege. Der wohl bekannteste Grenzübergang ist Helmstedt auf westlicher Seite und Marienborn auf östlicher Seite.
Dies ist gleichzeitig der offizielle Grenzübergang für die Alliierten Streitkräfte nach Berlin. Daher gibt es schon von 1947 erste Ansichtskarten vom Grenzübergang Helmstedt Zonengrenze.
Abgefertigt wurde dort der Berlin-Transit, Reisende in die DDR und andere Ostblockstaaten sowie westalliiertes Personal. Moderne Kommunikationsmittel wie Handy und SMS gab es noch nicht, also benötigte man die Post um mittels Karten, Telegrammen oder öffentlichen Telefonzellen schnell Nachrichten zu übermitteln. Am 1. Dezember 1949 nahm daher das Zonengrenzpostamt Helmstedt seinen Dienst auf. Der dort eingesetzte Tagesstempel lautete 20b Helmstedt Zonengrenze.
Später kam auch das Geldwechselgeschäft von DM Ost in DM West dazu. Es wurden maximal 30 verschiedene Währungen gehandelt. Das kleine Postamt in Helmstedt war in dieser Hinsicht das drittwichtigste in der Bundesrepublik nach dem Flughafenpostämtern Frankfurt und München.
Ab dem 1. März 1966 änderte sich die Inschrift in Helmstedt Autobahn, ab November 1977 war es nur noch Helmstedt 7. Der letzte Tag dieses ungewöhnlichen Postamtes war am 31. Dezember 1991. Speziell zu dem Grenzübergang Helmstedt - Marienborn hat Herr Helmut Mocha ein sehr informatives knapp 60 seitiges Heft über die Post in einem deutsch - deutschen Grenzbereich veröffentlicht.
Es gibt aber noch weitere Orte wie Lauenburg (Elbe) und Töpen über Hof (Saale), die zeitweilig in Ihrer Stempelinschrift den Hinweis Zonengrenze führten. Aber auch die dortigen Einschreibzettel und Wertzettel wiesen zum Teil solche Hinweise auf. Bedingt durch ein Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten zum Wiederaufbau der zerstörten Autobahnbrücke wurde der Übergang Töpen durch den Kontrollpunkt Rudolfstein - Hirschberg ersetzt. Dort gab es zeitweilig auch ein Postamt ähnlich dem in Helmstedt. Der Stempel dort lautete 8671 Hof Autobahn.
Natürlich läßt sich die Grenze auch indirekt durch entsprechende Zolldienststellen, auf Interzonenhandel spezialisierte Speditionen direkt über Absenderfreistempel oder indirekt über entsprechende Absenderangaben von Briefen nachweisen.
Von Westseite aus wurde die Grenze vom Bundesgrenzschutz überwacht, der an machen seiner Dienststellen auch Absenderstempel einsetzte. Selbst nach Ende der Teilung gibt es immer noch Stempel, die auf die ehemalige Grenze hinweisen, wie ein Maschinenstempel zum Zonengrenzmuseum Helmstedt.
Spuren der Grenze vom Osten her
Aus Sicht der DDR ist über die innerdeutsche Grenze aus postgeschichtlicher und philatelistischer Sicht nicht so viel zu finden. Ansichtskartenmotive sind bis auf das Brandenburger Tor nicht bekannt. Bei manchen Belegen benötigt man jedoch einfach nur gewisse Kenntnisse über die Grenze und die zugehörigen Grenzübergangsstellen, um den Beleg richtig zuordnen zu können. Dokumentieren läßt sich die Grenze von östlicher Seite beispielsweise durch ZKD Belege von Zolldienststellen wie dem Grenzzollamt 9902 Gutenfürst oder der Spedition VEB DEUTRANS mit passenden Absender. Bei Gutenfürst handelte es sich um den Eisenbahngrenzübergang von östlicher Seite auf der Strecke Berlin - Hof - München.
In Marienborn gab es zeitweilig sowohl am Eisenbahngrenzübergang als auch an der Autobahn ein eigenes Postamt. Genauso wie das Autobahnpostamt in Marienborn zeitweilig den Zusatz Autobahn im Stempel führte, gab es diesen Zusatz auch am Postamt 6551 Göritz kurz vor Hof.
Später ließen sich diese Postämter nur über die Ortsnamen und bekannten Unterscheidungsbuchstaben sauber zuordnen. Eine weitere Quelle sind Stempel mit politischen Inhalt aus der DDR.
Ein früher Maschinenstempel aus Schwerin vom 30. September 1949 hat folgende Werbung“ Keine Zonengrenzen Ziel der Nationalen Front“. Typisch für Postbelege aus den frühen 50ziger Jahren ist oft auch ein zusätzlich angebrachter Nebenstempel mit politischen aktuellen Losungen jener Zeit wie „Der Friedensvertrag beseitigt Zonen- und Sektorengrenzen und die Währungsspaltung“.
Sonderstempel zu den Grenztruppen der DDR liefern indirekte Spuren zur Grenze.
Passierscheine für den Aufenthalt im Sperrbezirk oder Reisepässe mit Visumsstempeln liefern weitere Nachweise der Teilung, auch wenn es sich hier nicht direkt um philatelistische oder postgeschichtliche Nachweise handelt.
Literatur und Ansprechpartner
Insgesamt ist diese Thematik „Spuren der Zonengrenze“ aus postgesichtlicher Sicht bisher nur ansatzweise erfaßt worden. Es besteht noch viel Forschungsbedarf um diesen Teilbereich der deutschen Geschichte postalisch besser beleuchten zu können. Wenn Sie Interesse an dieser spannenden Thematik haben bietet das Buch vom Autor Alfred Meschenmoser „Die Zonengrenze“ erschienen im Phil Creativ Verlag und das Werk von Herrn Mocha zum Grenzübergang Helmstedt - Marienborn einen guten Einstieg. Herr Mocha ist Mitglied in der Forschungsgemeinschaft Deutsche Einheit e.V. Hier finden Sie gleichgesinnte Sammler die Ihnen gerne weiterhelfen können. Akutelle Ansprechpartner der Forge finden Sie auf deren Homepage: www-forge-deutsche-einheit.de