Briefmarken mit Matrixcode

 

(erscheint in der Zeitschrift philatelie 515 - Mai 2020 - Vorabveröffentlichung)

 

In der letzten philatelie vom Mai wurde ja erstmals über die Digitalisierungsoffensive der Deutschen Post berichtet. Unter dem Schlagwort „Sendung verfolgen“ wurde berichtet, das zukünftig alle Dauermarken und Sondermarken zusätzlich einen Matrixcode erhalten sollen. Wann diese Marken eingeführt werden sollten, ob diese ein begrenzte Gültigkeit haben werden oder nicht und wie es mit der Stempelung aussieht, waren bei der Erstellung des Artikels noch nicht bekannt. Nun liegen dazu weitere ergänzende Fakten und Informationen über den derzeitigen Planungsstand vor, die hier vorgestellt werden sollen.

 

Einführung

 

Derzeit können die Bundesdruckerei und die anderen Hersteller von Briefmarken noch keine Marken mit individuellen Matrixcode produzieren. Der Offsetdruck ist dafür nicht geeignet. Eine zukünftige Produktion muss in zwei Schritten erfolgen. Im ersten Schritt werden die Marken weiter im Offsetdruck hergestellt. Im zweiten Schritt wird der individuelle Matrixcode mit einem Digitaldruck ergänzt. Zur Zeit laufen dazu die Abstimmung und Planungen, um eine erste Sondermarke mit dieser Technik möglichst Anfang 2021 herzustellen und anstelle einer normalen Sondermarke herauszugeben.

Infosäule der Deutschen Post von der Bilanzpressekonferenz zum Thema
Infosäule der Deutschen Post von der Bilanzpressekonferenz zum Thema "Jede Frankierung mit Matrixcode - Auch Briefmarken"

Ab dem Jahr 2022 sollen dann alle zukünftigen Briefmarken nur noch mit einem individuellen Matrixcode (Fingerabdruck) gedruckt werden. Das Jahr 2022 bietet sich für die Umstellung an, da ab diesem Zeitpunkt eine neue Vergaberegelung mit dem Herausgeber der Briefmarken, dem Bundesfinanzministerium startet. Wie zügig diese Technik bei den Herstellern der Briefmarken umgesetzt werden kann, ist eine der Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind.

 

Der zusätzliche Matrixcode benötigt einen gewissen zusätzlichen Platz neben dem Motiv. Wenn man dabei die vorliegenden Musterbogen als Grundlage nimmt, so verlängert sich jede Marke um 8 Zahnlöcher, also um 1,2 Zentimeter. Der Matrixcode dürfte außerdem immer auf der rechten Seite der Marke plaziert werden. Nimmt man diese Fakten als Grundlage, so werden alle zukünftigen Marken von der Fläche her größer werden, da ja das Motiv nicht wesentlich kleiner werden soll. Bei den Dauermarken (derzeit die Blumenserie) würde dies beispielsweise bedeuten, dass die Marken in der Breite um 1,2 Zentimeter wachsen würden. Als Folge davon müssten natürlich auch alle bisherigen Rollengeber durch neue ersetzt werden. Aber nicht nur hier würde sich bedingt durch das größere Format etwas ändern, auch die ganzen Kunststoffkästen in den Postämtern dürften vom Format her nicht mehr geeignet sein. Natürlich spielt bei den zukünftigen Formaten auch die vorhandene oder dann genutzte neue Drucktechnik und Prozeßabläufe eine entsprechende Rolle.

 

Probedrucke

 

Ähnlich wie auf der Pressekonferenz in Berlin wurde auch wenige Tage später am 10. März 2020 auf der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Post im DHL Innovation Center in Troisdorf bei Bonn zumindest drei Probebogen im Original gezeigt. Es handelte sich dabei um die 70 Cent Marke Grüffelo, die 70 Cent Marke Regenbogenfragment und die 80 Cent Marke Pippi als nassklebender Zehnerbogen mit Matrixcode.

Bogenunterteil eines Probebogens mit dem Motiv Regenbogenfragment 70 Cent
Bogenunterteil eines Probebogens mit dem Motiv Regenbogenfragment 70 Cent
Zehner Probebogen mit dem Motiv Pippi 80 Cent mit identischen Matrixcode für dieses Motiv
Zehner Probebogen mit dem Motiv Pippi 80 Cent mit identischen Matrixcode für dieses Motiv
vergrößerter Ausschnitt des Probebogens mit dem Motiv Pippi 80 Cent mit identischen Matrixcode
vergrößerter Ausschnitt des Probebogens mit dem Motiv Pippi 80 Cent mit identischen Matrixcode

Der Autor konnte diese Bogen im Original prüfen. Sie wurden auf Originalpapier gedruckt und besitzen UV. Die Probemarken weisen aber keinen zusätzlichen Sicherheitsaufdruck (seltene Erden) auf. Bei den zukünftigen Marken soll dieses zusätzliche Sicherheitselement aber weiter vorhanden sein, wurde dem Autor mitgeteilt. Alle bisherigen Probedrucke weißen keinen unterschiedlichen individuellen Matrixcode auf. Allerdings hat jedes Motiv einen anderen aber immer identischen Matrixcode als Ergänzung.

 

Einer der Kleinbogen hatte zusätzlich in der rechten oberen Ecke einen weiteren Matrixcode, es soll sich hier um die „Bogennummer“ handeln, da diese Marken in kleiner Auflage scheinbar im Bogen gedruckt wurden.

Bogenausschnitt rechts oben vom Motiv Grüffelo 70 Cent mit identischer Matrix für dieses Motiv sowie separater extra Datamatrix rechts oben (eventuell eine Bogennummer)
Bogenausschnitt rechts oben vom Motiv Grüffelo 70 Cent mit identischer Matrix für dieses Motiv sowie separater extra Datamatrix rechts oben (eventuell eine Bogennummer)

Ein weiterer Probedruck mit einen anderen Motiv soll derzeit noch in Planung sein. Nicht gesehen, aber zumindest als Bild bekannt ist weiter das Motiv Neuschwanstein als Probedruck. Ob intern schon erste Tests mit diesen Probedrucken vorgenommen wurden oder nicht, ist dem Autor nicht bekannt, es dürfte aber mit großer Sicherheit so sein.

 

Der Datamatrixcode hat bei diesen gezeigten Mustern ein Format von 16 x 48 Pixeln (Breite x Höhe). Er besteht aber bei genaueren Betrachten aus zwei Feldern von 16 x 24 Pixeln, die übereinander angeordnet sind. Die App "DM Scanner Pro" konnte die Matrix zwar erkennen, aber nicht auswerten. Die Post selbst plant dazu eine eigene App, die nicht nur den Matrixcode auslesen können soll, sondern die auch schon existierende separate DHL App für die mobile Paketmarken integrieren soll. Zukünftig soll es hier nur noch eine Post-App geben, statt einer für DHL und einer für die gelbe Post. Was diese Post-App dann tatsächlich auslesen kann, wird die Zukunft zeigen und auch, welche der Daten die Post für Jedermann freigibt, so wie beispielsweise bei der DV-Freimachung.

 

Die Marken selbst sollen übrigens unbegrenzt frankaturgültig sein, genauso wie die ATM aus dem Bonn Kölner Versuch aus dem Jahr 2018 bis 2019. Bei der Produktion der neuen Marken mit Datamatrixcode wird jede Marke gleichzeitig auch in eine sogenannte „Positivdatei“ übernommen. Sobald sie das erste Mal durch eine Sortieranlage läuft wird diese dann ausgetragen, also gelöscht. Würde sie ein zweites Mal genutzt werden, würde man sie nicht in der Positivdatei finden und daher zur Prüfung aussteuern.

 

Dazu ein anschauliches Beispiel – gedruckt werden die Marken eins bis zehn. Wird nun die Marke neu genutzt, wird sie aus der Datenbank gelöscht. Würde sie erneut zur Frankatur wiederverwendet, würde sie aufgrund des Fehlens in der Positivdatei als Dublikat erkannt und ausgesteuert werden.

 

Da die Masse der Marken relativ zeitnah nach der Produktion genutzt werden, werden diese auch relativ schnell wieder aus der Positivdatei gelöscht. Es entsteht also kein großer Datenberg. Die relativ geringen Mengen, die Sammler in ihre Alben legen und vermutlich fast nie zur Frankierung nutzen dürften, werden die Positivdatei nicht wesentlich belasten. Speicherplatz ist in heutiger Zeit ja kein großes Problem mehr so wie zur Anfangszeit des Computers.

 

Neben der zusätzlichen Option der Sendungsverfolgung von normalen Briefen mit Matrixcode für Jedermann hat die Post selbst vor allem bezüglich der doch sehr großen Probleme bei der Wiederverwendung und chemischen Entfernung von Tintenstrahlentwertungen und Fälschungserkennung einen großen Eigennutzen an der Einführung dieses neuen Verfahrens.

 

Bezüglich der Fälschungen gibt es derzeit seit der Euroeinführung zirka 65 verschiedene Fälschungen zum Schaden der Post, von denen die eine oder andere hier in der phillatelie schon ausführlich vorgestellt wurde.

Nachträgliche Ergänzung: Link zur Gesamtübersicht bisher bekannter Fälschungen zum Schaden der Post seit Euroeinführung

Gewaschene und chemisch präparierte Briefmarken werden in der Regel bei ebay ohne Gummi oder auf Päckchenaufklebern und Briefen schon als aufgeklebt und gültige Postwertzeichen angeboten oder unterschwellig zur erneuten Nutzung für einen günstigen Preis offeriert. Sie sind teilweise unter UV-Licht erkennbar, wie zwei Abbildungsbeispiele zeigen.

Gewaschene Briefmarken hier am Beispiel mit dem Motiv Daniel Poppelmann – links sieht man drei Marken mit 600 dpi gescannt und die selben Marken unter UV-Licht zeigen, das alle drei Marken schon einmal mit einer Tintenstrahlentwertung entwertet waren
Gewaschene Briefmarken hier am Beispiel mit dem Motiv Daniel Poppelmann – links sieht man drei Marken mit 600 dpi gescannt und die selben Marken unter UV-Licht zeigen, das alle drei Marken schon einmal mit einer Tintenstrahlentwertung entwertet waren
Gewaschene Briefmarken hier am Beispiel Ischtar-Tor und Seestück – links sieht man die Marken mit 600 dpi gescannt und die selben Marken rechts unter UV-Licht. Hier sieht man allerdings keine Stempelreste oder Tintenstrahldruckreste, sondern nur teilweise blaue Flecken, die zeigen, das die Marken präpariert worden waren, um vorher vorhandene andere Stempel zu entfernen
Gewaschene Briefmarken hier am Beispiel Ischtar-Tor und Seestück – links sieht man die Marken mit 600 dpi gescannt und die selben Marken rechts unter UV-Licht. Hier sieht man allerdings keine Stempelreste oder Tintenstrahldruckreste, sondern nur teilweise blaue Flecken, die zeigen, das die Marken präpariert worden waren, um vorher vorhandene andere Stempel zu entfernen

 

Stempelung

 

Eine wichtige Frage ist für die Sammler natürlich die Stempelung der Marken. Ein Datamatrixcode hat zwar wesentlich mehr Sicherheit im Vergleich zu einen Strichcode, der nur eine Prüfziffer hat, aber es besteht doch die Gefahr, das durch eine Stempelung der Matrixcode nicht mehr lesbar wäre. Eine wichtige Aussage auf der Bilanzpressekonferenz war, das die Marken zukünftig doch noch gestempelt werden solllen.

 

Unter dieser Voraussetzung muss man natürlich zukünftig die Stempelung möglichst so plazieren, dass der Matrixcode nicht beschädigt also unlesbar wird. Bei einer Stempelung am Schalter oder in der Versandstelle ist das noch das kleinste Problem. Bei der zukünftigen Tintenstrahlentwertung von Standard- und Kompaktbriefen gibt es nun Überlegungen, trotz eines Durchsatzes von vier Metern pro Sekunde durch die Sortieranlagen, diese so zu steuern, das der Matrixcode nicht getroffen wird. Auch die Franzosen experimentieren hier schon mit ähnlicher Technik, bei der sie versuchen den Bereich eines Matrixcodes von der Tintenstrahlentwertung auszusparen.

 

Bei der GSA Neu (den aktuellen Großbriefsortieranlagen) und deren Stempelmodulen ist dies technisch aber nicht so einfach wie bei der neuen Tintenstrahlentwertung in Standard- und Kompaktbriefsortieranlagen. Man könnte hier aber beim Einsatz einer anderen Stempelfarbe durch entsprechende Farbfilter den Prozess so steuern, das trotz Stempelung der Matrixcode gelesen werden könnte. Dies wäre beispielsweise mit roter oder blauer Stempelfarbe machbar.

 

Daher geht der Autor davon aus, das sich mittelfristig die bisherige schwarze Stempelfarbe bei der Tintenstrahlentwertung bei Großbriefen aber dann auch bei Standard- und Kompaktbriefsortieranlagen ändern wird unter dem Motto "Die schwarze Stempelfarbe ist tot, es lebe die blaue oder rote Farbe".

 

Resümee:

 

Die vielen Details, die in diesem Umstellungsprozeß noch bis Ende 2021 geklärt und dann auch umgesetzt werden müssen, sind aus Sicht der Autors schon ambitioniert. Ob sich tatsächlich alles so zügig umsetzen lässt, hängt vor allem auch an entsprechenden Spezialisten auf dem jeweiligen Gebiet ab. Da aber das frühere Posttechnische Zentralamt Darmstadt (PTZ) im Laufe der letzten Jahren durch viele Umstrukturierungen bei der Post stark dezimiert wurde, vermutet der Autor, das die Umstellung doch etwas länger dauern dürfte, als geplant. Es wird also eine interessante Übergangszeit geben, in der zum einen neue Marken mit individuellen Datamatrxcode auftauchen, aber auch noch viele bisherige Marken ohne Matrixcode auf den Belegen als Mischfrankatur zu sehen sein werden. Auch  wird die Stempelung dieser Belege mit großer Wahrscheinlichkeit noch einige Änderungen erfahren. Es wird also eine spannende philatelistische und postgeschichtlich interessante Zeit werden und neue Sammelgebiete werden entstehen.