Die Besonderheiten des Business-Bogen Beethoven-Haus
(erscheint in der Zeitschrift philatelie 514 - April 2020 - Vorabveröffentlichung)
Co-Autor Bernd Hanke
Im Rahmen der Recherchen zu Fälschungen gelangte der Autor über eine ebay-Kleinanzeige Anfang 2019 ins Bahnhofsviertel von Frankfurt, das für sein Rotlichtmileu und seine Drogenszene bekannt ist. Aus der dort befindlichen Niddastraße bot jemand Teile des Business-Bogens mit der 144 Cent Marke SWK – Motiv Beethovenhaus Bonn zu sehr günstigen Konditionen an. Zwar hatte der Autor beim Ankauf selbst keinen Erfolg, da ein Frankaturwarehändler etwas schneller war. Dieser stellte aber schnell fest, das es sich dabei um Fälschungen zum Schaden der Post handelte. Diese Fälschungen wurden dem Autor vorgelegt.
Um diese Marken prüfen zu können, musste natürlich erst einmal entsprechendes Vergleichsmaterial besorgt werden. Dies war 16 Jahre nach der Herausgabe des Business-Bogens im Juni 2003 nicht mehr so einfach. Dabei ergaben sich weitere Merkwürdigkeiten bezüglich der Stanzung der selbstklebenden Marken, die bisher nicht im Katalog erfasst sind, denn es gibt scheinbar zwei verschiedene Stanzungsvarianten. Es handelt sich dabei um die generell bei allen selbstklebenden Marken bekannte Variante und eine hier vorliegende eher wellenförmige Stanzung eines Teils der Auflage dieses Business-Bogens.
Der folgende Artikel wird daher nicht nur die Fälschung vorstellen, die erst nach so langer Zeit überhaupt erstmals aufgetaucht ist, sondern auch die bisherigen Kenntnisse zu den beiden Stanzungsvarianten der echten Marken vorstellen.
Die Fälschung
Der Business-Bogen mit 100 Marken besteht aus einem Folienblatt mit einer Breite von 19,1 Zentimeter und einer Höhe von 43,8 Zentimeter, dass vierfach gefaltet ist. In den unteren vier Teilen sind je acht Marken nebeneinander in drei Reihen ohne umgebende Trägerfolie vorhanden. Der oberste Teil ist schön gestaltet und enthält die restlichen vier Marken. Die Rückseite wurde mit entsprechender Postwerbung bedruckt. Auf der Rückseite im untersten Teil wurde dabei auch die damals aktuelle Internetadresse der Versandstelle angebracht. Da diese einmal einzeilig, einmal zweizeilig existiert, ist hier bisher schon bekannt, das es mindestens zwei Teilauflagen gegeben haben muss. Da damals natürlich eine Diskussion bezüglich der Klassifizierung dieses Business-Bogens einsetzte, ob es sich hier um ein Folienblatt beziehungsweise Markenheftchen handelte und die Sammler hier somit den kompletten Bogen für 144 Euro für die Sammlung benötigt hätten, wurde dieses Format von der Post nicht weiter als Ausgabeform verfolgt und zum anderen wurde kommuniziert, das es sich hier um einen Bogen handelt und der Sammler daher nur eine einzelne Marke für seine Sammlung benötigen würde. Aufgrund dieser Fakten wurde die Masse der Business -Bogen aufgeteilt und zerlegt. Am ehesten ist heute noch der oberste Teil mit den vier Marken und der Bestellnummer vorhanden.
Daher fand der Autor anfangs auch nur eine einzelne postfrische Marke. Diese hatte allerdings bei genauerer Betrachtung eher eine wellenförmige Zähnung. Weitere Recherchen waren notwendig. Was hat dies nun mit der Fälschung zu tun. Von der Fälschung existiert bisher nur der vorletzte vierte Teil des gefalteten Business-Bogen. Wenn es nun heute schon für einen Sammler nicht so einfach ist, entsprechendes Vergleichsmaterial zu besorgen, so dürfte dies auch für die Fälscher gegolten haben.
Die Fälschung wurde daher nach Ansicht des Autors schon vor etlichen Jahren circa 2004 oder 2005 hergestellt. Denn ab dem 1. Januar 2006 wurde das Porto für einen Großbrief von 144 Cent auf 145 Cent geändert. Das Fälscher erst etliche Jahre später eine Marke mit nicht mehr sinnvollen Porto fälschen, hält der Autor für sehr unwahrscheinlich.
Bevor diese Fälschung aber damals in Umlauf gebracht werden konnte, wurde der Verantwortliche vermutlich aufgrund eines anderen Deliktes aus dem Rotlicht oder Drogenmilieu verurteilt und eingesperrt. Nachdem er seine andere Strafe von circa 15 Jahren abgesessen hatte, versuchte er nun die gut versteckten Fälschungen doch noch an den Mann zu bringen und zu Geld zu machen. Diese These wird auch von der Erhaltung der Marken unterstützt, die gewisse Lagerspuren aufweisen, die nicht nach zwei bis drei Wochen sondern erst nach langer Zeit auftreten. Betrachten wir daher nun als erstes die Fälschungen selbst.
Gefälscht liegt der vorletzte Teil des gefalteten Business-Bogen mit acht Marken waagrecht und drei Reihen untereinander vor.
Die Ränder weisen mehr oder weniger deutliche Lagerspuren auf, die Marken wurden also nicht erst vor kurzem gedruckt. Statt des Rakel (Raster-) Tiefdrucks wurde die Fälschung im zweifarbigen Offsetdruck hergestellt. Vergleich man nun einige ausgewählte Bildelemente genauer, so fällt auf, das die Fälschung nicht sehr sorgfältig umgesetzt wurde.
Hier zeigt die Linienführung der Dachziegel und an der Tür keine „Perlenkette“, sondern eine geschlossene Linie. Die Darstellung entspricht somit dem im Offsetdruck hergestellten naßklebenden Originalmarken.
Die Buchstaben am Schild „Beethoven“ sowie die Ziffern der Hausnummer „20“ sind bei der Fälschung nicht lesbar und wurden stark vereinfacht als Rechtecke ausgeführt.
Die Schriftelemente entsprechen der Farbe nach dem im Offsetdruck hergestellten naßklebenden Bogen und Rollenmarken. Das Erscheinungsbild ist jedoch fleckig und unsauber. Bei den echten Marken haben die Schriftelemente dagegen die typischen „ausgefransten“ Ränder, die beim Rakeltiefdruck entstehen.
Die Fälschungen reagieren auch nicht auf UV und IR-Licht, die seltenen Erden sind also nicht vorhanden.
Betrachten wir zum Schluß noch die Stanzung dieser Fälschung. Schon mit bloßen Auge kann man hier sehen, das diese deutlich von der bekannten Stanzung abweicht. Diese Stanzung entspricht einer dreieckigen Wellenlinie und nimmt keine Rücksicht auf die Gestaltung der Markenecken. Die Stanzlinien verlaufen durchgehend waagrecht und senkrecht über den gesamten Mittelteil des vierten Bogenteils.
Ein maschinelles „Entgittern“, wie es bei den Originalmarken erforderlich war, ist somit bei der Fälschung nicht mehr möglich. Die durchgehende Stanzlinienführung legt außerdem die Vermutung nahe, dass es keine Oberteile oder noch ein Unterteil des kompletten Bogens als Fälschung geben haben könnte.
Die unterschiedliche Stanzung des Business-Bogens
Für jede Fälschung wird natürlich auch eine entsprechende Vorlage benötigt. Ob dafür nun eventuell die eher gerundete Stanzung als Vorlage diente, oder nicht lässt sich natürlich jetzt nicht mehr feststellen, es wäre aber eine mögliche Arbeitshypothese. Erstaunlich ist, das diese gerundete Stanzung seit der Herausgabe des Business-Bogens im Jahr 2003 bis heute nicht aufgefallen ist. Wie eingangs schon erwähnt, gibt es bisher nachweisbar vom Business-Bogen zwei Teilauflagen, die sich unter anderem durch die unterschiedliche (ein- beziehungsweise zweizeilige) Webadresse unterscheiden.
Aber auch von vorne lassen sich diese Marken nicht nur durch die Stanzung (gerade und gerundete) Stanzung unterscheiden. Während die gerundete Stanzung, gelbe Fluoreszenz und schwächerer IR-Fluoreszenz bei den vorliegenden Marken aufweist, haben die Marken der geraden Stanzung eher eine dunklere gelbe Fluoreszenz und eine stärkerer IR-Fluoreszenz
Bekannt ist mittlerweile auch, das die gerundete Stanzung scheinbar bei einem Teil der zweiten Teilauflage mit der zweizeiligen Internetadresse vorkommt. Zum Zeitpunkt der Erstellung lag aber leider nur ein kompletter Bogen der ersten Auflage mit gerader Stanzung und einzeiliger Webadresse sowie ein Oberteil eines Bogens mit gerundeter Stanzung vor, das vermutlich der zweizeiligen Webadresse zugeordnet werden kann. Ein kompletter Bogen mit zweizeiliger Webadresse und gerader Stanzung wird derzeit für weitere Vergleichszwecke noch gesucht.
Betrachten wir die Stanzung des vorliegenden Bogenoberteils mit gerundeter Stanzung etwas genauer. Während bei den Einzelmarken die Kanten der waagrechten Zähne in gerader Linie verlaufen, bilden die senkrechten Zähne eine Rundung aus. Die Zahnlöcher sind rund ausgeprägt. Die Übergänge der Zahnlöcher in die Zähne sind gerundet. Bei der senkrechten Zähnung entsteht der Eindruck einer leichten Wellenlinie. Die Erscheinung hat einen verfahrenstechnischen Ursprung im damaligen Stand der Herstellung Stanzformen und ihrer Abwicklung auf einer zylindrischen Oberfläche. Die Stanzung am 8er-Streifen und am vorliegenden Bogen hat hingegen gerade Zahnkannten. Der 8er-Streifen hat die zusätzliche Besonderheit, dass manche Zahnkanten leicht nach innen eingedrückt sind.
Resümee
Nach dem derzeitigen Forschungsstand gibt es scheinbar von diesem Business-Bogen von der zweiten Teilauflage mit zweizeiliger Webadresse eine weitere Untervariante, statt gerader Stanzung, eine gerundete Stanzung. Im Michelkatalog ist dies bisher nicht erfasst. Muss hier also die Katalogisierung geändert werden und wenn ja in welcher Form? Außerdem ist derzeit nicht klar, wie häufig die Variante mit gerundeter Stanzung ist. Weiter fehlt natürlich im Katalog der Hinweis, dass diese Marke als Fälschung zum Schaden der Post vorliegt. Besonders interessant ist es, das diese Unterschiede erst nach so vielen Jahren aufgefallen sind. Das Beethoven-Jahr liefert also auch für die Philatelie noch interessante neue Erkenntnisse.
Arbeitsgemeinschaften:
Der Business-Bogen gehört zu den Markenheftchen. Hier gibt es den Arbeitskreis Markenheftchen e.V. (akmh), eine Arbeitsgemeinschaft im BDPh, die sich mit dem Sammeln und Erforschen von Markenheftchen jeglicher Art beschäftigt. Ansprechpartner finden Sie auf der Webseite des Vereins www.akmh.de